In diesen Tagen erhalten Angestellte ihren ersten Zahltag im neuen Jahr – meist mit einer Lohnerhöhung. Laut dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund steigen die Löhne im Durchschnitt um rund 2.3 Prozent. Allerdings sind die Kosten für Lebensmittel, Mieten oder Strom deutlich gestiegen, die Teuerung im letzten Jahr lag knapp über 2 Prozent. Der grösste Teil der Lohnerhöhung wird somit gleich wieder weggefressen von der Inflation.
In der «Samstagsrundschau» von SRF kritisiert Daniel Lampart, der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, die Gegenseite scharf, also die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: «In dieser Lohnrunde ist etwas passiert, das es noch nie gegeben hat: Arbeitgeber erhöhen die Preise, gewähren ihren Leuten aber den Teuerungsausgleich nicht.» Lampart meint insbesondere die Baubranche: Im sogenannten Bau-Hauptgewerbe sind die Lohn-Verhandlungen gescheitert: Generelle, verbindliche Lohnerhöhungen gibt es nicht.
«Es muss Arbeitgebern weh tun»
Doch dem Gewerkschaftsbund gehen auch die durchschnittlichen Lohnerhöhungen von gut zwei Prozent zu wenig weit: Er hatte mehr als das Doppelte verlangt. Die Begründung: Die Arbeitgeber müssten nun Lohnverluste ihrer Mitarbeitenden aus den drei vorangegangenen Jahren kompensieren. Damals sind die Löhne real – unter Einbezug der Teuerung also – gesunken.
Wenn man mit staatlichen Mindestlöhnen durchkommt, dann machen wir das so.
Gewerkschafter Lampart kündigt eine härtere Gangart an: «Wenn wir so harte Positionen bei den Arbeitgebern haben, müssen wir anders verhandeln – das heisst kämpferischer.» Es sei offenbar so, dass man den Arbeitgebern weh tun müsse. Die Frage sei, wie stark. Man diskutiere zum Beispiel über Protestpausen oder andere Aktionen. Auch Streiks seien kein Tabu: «Wenn man den Leuten systematisch nicht gibt, was ihnen zusteht, dann haben wir grossen Unmut. Und der wird sich niederschlagen von Protestpausen bis vielleicht Streiks.»
Der Arbeitgeberverband übrigens weist die Lohnforderung der Gewerkschaften und insbesondere einen Ausgleich auch für vorangegangene Jahre als «übertrieben» zurück. Er verweist darauf, dass die Löhne über die letzten zehn Jahre betrachtet real – also unter Einbezug der Teuerung – gestiegen seien.
Staatliche Mindestlöhne als Alternative
Der Gewerkschaftsbund verlangt, dass niemand mit einem Lehrabschluss weniger als 5000 Franken im Monat verdient – in der Realität sind die Löhne gerade im Gewerbe häufig um 800 bis 900 Franken tiefer. Wenn Lohnverhandlungen weiterhin so schwierig seien, müsse der Weg vielleicht künftig vermehrt über staatliche Mindestlöhne führen, sagt Daniel Lampart – dies, obwohl die Gewerkschaften Gesamtarbeitsverträge klar vorziehen würden.
«Wir stellen aber fest, dass die Arbeitgeber zum Beispiel im Detailhandel seit vielen Jahren nicht einmal mehr über Gesamtarbeitsverträge reden wollen. Wenn man mit staatlichen Mindestlöhnen durchkommt, dann machen wir das so.» Weitere regionale Projekte seien in Arbeit, sagt Gewerkschafter Lampart. Fünf Kantone, in der Deutschschweiz gehört Basel-Stadt dazu, kennen bereits generelle Mindestlöhne. Beschlossen, aber noch nicht eingeführt, ist auch ein Mindestlohn in der Stadt Zürich.