Ganze 100 Jahre wird es dauern, bis die Gleichstellungskluft zwischen den Geschlechtern weltweit geschlossen ist. Das steht im diesjährigen Global Gender Gap Report, den das Weltwirtschafts-Forum WEF alljährlich herausgibt.
Letztes Jahr wäre es noch 83 Jahre gegangen, das Jahr zuvor noch weniger lang. Dies zeigt: die Unterschiede zwischen Mann und Frau werden nicht kleiner, sondern nehmen derzeit weltweit zu. Dies zum ersten Mal seit 2006, dem Jahr, als der Global Gender Gap Report zum ersten Mal erschien.
Zuoberst auf der Rangliste steht erneut Island. Darauf folgen Norwegen, Finnland, Ruanda und Schweden. Stark gedrückt haben den Durchschnitt dieses Jahr China und Indien – trotz Fortschritten. Den letzten Platz belegt Jemen.
Rückschritt in der Politik und bei den Löhnen
Till Leopold, einer der Autoren des Berichts, erklärt gegenüber SRF: «Wir stellen fest, dass die wirtschaftliche Dimension seit einigen Jahren stagniert, sich sogar wieder verschlechtert hat.» Namentlich sei dies bei der Anzahl der Frauen auf Führungsebene. So steht in der Studie, dass es ganze 217 Jahre (Vorjahr 170 Jahre) dauern wird, bis Frauen weltweit soviel verdienen wie Männer und die gleiche Vertretung in der Arbeitswelt hätten. Dabei würde sich die Lohngleichheit positiv auf das Bruttosozialprodukt der Länder auswirken.
In der Politik gibt es sogar Rückschläge, so Leopold. Die jüngsten Wahlen in den untersuchten Ländern hätte das Resultat beeinflusst. Das betreffe vor allem den Frauenanteil in den Länderparlamenten und auf Ministerialebene. Da gebe es neu wieder stärker Handlungsbedarf.
Für heutige Frauen kaum mehr erlebbar
Dass es aktuell noch 100 Jahre gehen soll, bis die Gleichstellung weltweit erreicht wird, findet Till Leopold inakzeptabel. «Das ist viel zu lang!» Denn es sei ausserhalb der Lebenszeit auch von jungen Frauen heutzutage oder solchen, die jetzt geboren würden.
«Auch, wenn das Thema in den Medien und der Gesellschaft präsenter ist als vor einigen Jahren, ist dieser Fortschritt noch nicht konsolidiert, und es werden weitere Bemühungen nötig sein für eine Besserung. Es gebe aber keine allgemeingültige Lösung oder Rezepte, wie Regierungen davon überzeugt werden könnten, mehr für die Gleichstellung der Frauen zu tun.
Die Schweiz: Von Platz 10 auf 21
Die Schweiz machte die letzten zehn Jahre deutlich weniger Fortschritte bei der Gleichstellung als andere westeuropäische Staaten, wie aus dem Bericht hervorgeht. Sie ist auf der weltweiten Gleichstellungs-Rangliste von Platz 10 auf Platz 21 zurückgefallen.
Die Ungleichbehandlung grassiert hierzulande vor allem in der Arbeitswelt und in der Politik. So gab es Rückschritte bei der Vertretung der Frauen auf Führungsebene in der Wirtschaft sowie beim Einkommen. Durchschnittlich verdienten die Frauen nur 83 Prozent dessen, was Männer im Schnitt verdienen.
Die Ränge, die die Schweiz die letzten Jahre gut gemacht hatte, weil sich die Zahl der Parlamentarierinnen und Frauen mit anderen politischen Ämtern erhöhte, gingen wieder verloren. Bei der Gleichstellung in der Politik wirkte sich in erster Linie die Untervertretung von Frauen auf Regierungsebene negativ aus.