Am Sonntag bricht Johann Schneider-Ammann (FDP) zu einer grossen Südamerika-Reise auf. Eine ganze Woche lang geht es in Brasilien, Paraguay, Uruguay und Argentinien um einen Freihandelsvertrag mit den sogenannten Mercosur-Staaten.
Im Schlepptau des Bundesrates reisen Vertreter von über zwei Dutzend Wirtschaftsverbänden mit – die Hälfte davon aus der Landwirtschaft. Diese sehen nicht nur die Chancen, sondern vor allem auch die Risiken eines Freihandelsvertrages mit grossen Agrarstaaten.
Zwischen Bauernverbandspräsident Markus Ritter und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann herrschte monatelang ein offener Konflikt deswegen. Inzwischen redet man zwar wieder miteinander, aber unter den Schweizer Fleischproduzenten geht die Angst um.
Besorgte Bauern
Franz Hagenbuch aus dem aargauischen Rottenschwil ist Präsident von swissbeef.ch. Der Verband vertritt rund 500 Schweizer Rindermäster – ein Berufsstand unter grossem Druck: «Die Stimmung bei unseren Mitgliedern ist äusserst gereizt. Ohnehin herrscht derzeit Preisdruck im Markt. Mit diesen Freihandels-Geschichten sind die Aussichten alles andere als rosig für uns.»
Gerade das neuste Kapitel in dieser Geschichte schlägt den Schweizer Fleischproduzenten schwer auf den Magen. Bundesrat Schneider-Ammann strebt Handelserleichterungen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten an.
Gut für die Schweizer Exportwirtschaft, aber möglicherweise katastrophal für die Rindermäster, befürchtet Hagenbuch: «Kompletter Freihandel wäre tödlich für uns. Wir haben ganz andere Kosten als andere Länder, und vor allem auch andere Auflagen.»
Offene Konfrontation mit Schneider-Ammann
Mit den Preisen von T-Bonesteaks aus Argentinien oder Rindsfilet aus Brasilien könnten die Schweizer Bauern ohne Grenzschutz niemals konkurrieren. Franz Hagenbuch und die meisten seiner Berufskollegen sind deshalb froh, dass Bauernverbandspräsident Markus Ritter lautstark und öffentlichkeitswirksam ihre Interessen vertritt.
Auch, dass Ritter zeitweilig das Gespräch verweigerte und jetzt auf die Teilnahme an der Wirtschaftsreise in die Mercosur-Staaten verzichtet, finden sie gut. Mit dabei sind allerdings zahlreiche andere Vertreter von Land- und Ernährungswirtschaft. So auch Heinrich Bucher, Direktor der von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft.
Eine vollständige Marktöffnung kommt auch für ihn nicht infrage. Er will sich in Südamerika für eine ähnliche Lösung einsetzen, wie sie die EU mit den Mercosur-Staaten anstrebt: «Das würde bedeuten, dass Zusatzkontingente für Importe aus diesen Staaten zugestanden würden – in beschränktem Umfang. So wären die Auswirkungen für den Schweizer Markt verkraftbar und die Preise kämen im Inland nicht unter Druck.»
Keine vollständige Liberalisierung
In diese Richtung gehen auch die Überlegungen des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) im Departement von Johann Schneider-Ammann. Schon jetzt würden rund 4'000 Tonnen Rindfleisch jährlich aus Südamerika importiert, betont BLW-Vizedirektor Adrian Aebi.
Künftig könnten es etwas mehr sein, aber eine vollständige Liberalisierung werde es sicher nicht geben: «Das stand nie und steht auch jetzt nicht zur Diskussion. Auch nicht für die übrigen sensitiven Bereiche in der Landwirtschaft.»
Wir können natürlich problemlos Fleisch oder andere Lebensmittel aus anderen Ländern importieren. Wir vergessen aber dabei, dass wir die Landschaft und unserem Lebensraum nicht importieren können.
Allerdings: Wenn der Grenzschutz gegenüber den Mercosur-Staaten auch nur um die Hälfte gesenkt würde, hätte das Preiseinbussen beim Rindfleisch von 18 Prozent zur Folge, wie Experten von Agroscope im Auftrag des Bundesrates ausgerechnet haben.
Ängste bei der Basis
Viel zu pessimistische Annahmen, glaubt Adrian Aebi vom BLW. Doch an der Basis ist die Angst gross. Schon heute müssten jedes Jahr 1000 Schweizer Bauern ihren Betrieb aufgeben, klagt Rindermäster Franz Hagenbuch.
Künftig könnten es doppelt so viele werden – mit Folgen für alle: «Wir können natürlich problemlos Fleisch oder andere Lebensmittel aus anderen Ländern importieren. Wir vergessen dabei aber, dass wir die Landschaft und unseren Lebensraum nicht importieren können.»
Ohne produzierende Bauern, keine lebenswerte Landschaft. Diesen Gedanken gibt Franz Hagenbuch der Mercosur-Delegation mit auf den Weg nach Südamerika.