Die Finanzministerinnen und -minister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben die neue weltweite Mindeststeuer für grosse Unternehmen auf den Weg gebracht. Der Steuerwettbewerb unter den Ländern soll so eingeschränkt werden. Für die Schweiz heisst das wohl höhere Unternehmenssteuern. Aber es gibt laut Bundesrat Ueli Maurer noch Spielraum für Lösungen, die uns entgegenkommen. «Diese müssen in den nächsten Wochen erarbeitet werden.»
SRF News: Der Teufel steckt ja oft im Detail. In welchem besonders?
Ueli Maurer: Am Ende ist es die Bemessung des Unternehmensgewinns, denn hier werden 100 Steuersysteme weltweit zusammengeführt. Man versucht, das zu koordinieren. Aber die Voraussetzungen in den diversen Staaten sind so unterschiedlich, dass man nicht darum herumkommt, Speziallösungen zuzulassen für einzelne Länder, auch für die Schweiz.
Das heisst, die Grundlage, wie dieser Gewinn berechnet wird, von dem die Steuer abgezogen wird, steht noch gar nicht fest?
Ja. Einfach zu glauben, wer jetzt 12 Prozent zahlt, zahlt nachher 15, ist völlig falsch. Es wird neu definiert, wie der Unternehmensgewinn berechnet werden soll. Und es ist sehr wohl möglich, dass jemand, der im Moment 12 Prozent hat, bei einer neuen Berechnung bei 18 Prozent ist und umgekehrt. Hier liegt die Herausforderung und auch eine gewisse Chance, gerade auch für die Schweiz, etwas Spielraum zu schaffen.
Wird diese Berechnungsgrundlage nicht überall gleich geregelt?
Ich glaube, Länder, die technologisch weiter sind, müssen andere Abschreibungssätze anwenden. Etwa, weil die Infrastruktur dort rascher erneuert werden muss als anderswo. Die Abschreibungsdauer wird verkürzt und damit der Gewinn verkleinert. Gerade im Konzernrechnungsbereich gibt es verschiedene offene Fragen zu Darlehen, Beteiligungen und Abschreibungen. Das alles ist noch offen.
Aber in der Schweiz werden die Unternehmenssteuern wohl steigen?
Das muss man annehmen, denn wir sind ein Land mit relativ tiefen Steuern. Das heisst, dass wir dafür andernorts günstiger sein müssen. Mit der Abschaffung der Emissionsabgabe wäre es interessanter, in der Schweiz Kapital aufzustocken, Firmen zu gründen und Investitionen zu tätigen. Die Vorlage untersteht dem Referendum. Aber das wäre schade, denn wir brauchen gewisse Möglichkeiten, um weiter attraktiv zu sein.
In der Schweiz lässt es sich gut leben. Das spricht für uns als Standort.
Wie sonst kann die Schweiz attraktiv sein?
Die Leute, die entscheiden, wo der Standort ist, leben ja auch. Und in der Schweiz lässt es sich gut leben. Das spricht für uns als Standort. Aber es ist auch die Ausbildung der Kinder, die Hochschulen, die Forschung, die Entwicklung, die Stabilität und die Sicherheit im Cyberbereich und bei der Währung. All das sind Punkte, die für die Schweiz sprechen.
Planen Sie schon ein Revitalisierungsprogramm?
Ein grosses solches Programm braucht bei uns zu viel Zeit und löst viel Widerstand aus. In vielen kleinen Schritten müssen wir wiedermal unsere Wettbewerbsbedingungen verbessern. Da gibt es viel, was man machen kann, das nichts kostet, aber den Unternehmen etwas bringt.
Wir werden wohl zügig beginnen müssen, damit wir hier nicht zwischen Stuhl und Bank fallen.
In zwei Jahren soll das Projekt stehen. Schafft das die Schweiz mit ihren 26 kantonalen Steuergesetzen?
Nein. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass wir mehr Zeit brauchen. Das wird auch akzeptiert. Man kennt inzwischen unser System. Aber wir werden wohl zügig beginnen müssen, damit wir da nicht zwischen Stuhl und Bank fallen. Es ist aber auch eine Chance, nicht nur eine Gefahr. Jede Änderung ist primär einmal als Chance zu sehen.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.