Bell setze sich seit Jahren für eine nachhaltige Fleischproduktion ein, sagt Christoph Schatzmann, Leiter Nachhaltigkeit bei der Bell Schweiz AG: «Wir wollen auf fossile Energieträger verzichten, den Ressourcenverbrauch reduzieren und das Tierwohl fördern. Das sind unsere Ziele in der Nachhaltigkeitsstrategie.»
Wir wollen auf fossile Energieträger verzichten, den Ressourcenverbrauch reduzieren und das Tierwohl fördern.
Ein Projekt aus dieser Strategie sei der energieneutrale Hühnerstall. Er hat eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und eine Wärmerückgewinnungsanlage. Durch sie kann die Wärme, welche die Hühner abgeben, für die Beheizung wiederverwendet werden. Ausserdem gibt es im Stall einen Biofilter, der die Emissionen von Staub und Gerüchen reduziert.
C02 und andere Emissionen einsparen sei zwar grundsätzlich sinnvoll, findet Florian Leiber. Er leitet das Departement Nutztierwissenschaften am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL.
Doch leider gehe der Umweltschutz beim energieneutralen Hühnerstall zulasten der Tiere, so Leiber. Die Hühner dürften nämlich nicht nach draussen: «Ein System, dass die Emissionen maximal rückgewinnen will, muss die Tiere technisch stark einbinden. Das entspricht einer natürlichen Umwelt überhaupt nicht mehr und einer tierfreundlichen auch nur sehr bedingt.»
Ein System, dass die Emissionen maximal rückgewinnen will, muss die Tiere technisch stark einbinden.
Die Masthühner leben in einer grossen Produktionshalle mit zwei sogenannten Wintergärten. Es gibt Nebenräume mit Fenstern, wo sie immerhin Tageslicht haben. Im Fachjargon nennt man das «besonders tierfreundliche Stallhaltung BTS». Mit «besonders tierfreundlich» habe das nichts zu tun, sagt Leiber.
Bell verweist auf Konsumverhalten
Schatzmann von Bell sieht das anders: «Das Schweizer Tierschutzgesetz ist eines der strengsten überhaupt. Mit der besonders tierfreundlichen Stallhaltung hat die Schweizer Branche einen freiwilligen Standard geschaffen, der nochmals klar über den gesetzlichen Anforderungen liegt.»
BTS und damit auch der energieneutrale Hühnerstall entsprechen nicht dem Bio-Standard. Doch Bio- oder Freilandpoulets würden auch längst nicht alle Konsumentinnen und Konsumenten kaufen, erklärt Schatzmann. Bell könne so immerhin energiesparend günstiges Poulet-Fleisch produzieren.
Nachhaltigkeit mit klaren Grenzen
Kritiker stört aber nicht nur die Tierhaltung. Die Hauptprobleme der Poulet-Produktion würden mit diesem energieneutralen Stall nicht angegangen, sagt Andreas Bosshard. Er ist Geschäftsführer der Vision Landwirtschaft, einer Denkwerkstatt, die sich für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzt.
Bosshard stören zwei Dinge: Erstens, dass für die Hühner der Grossteil der Futtermittel importiert wird, was alles andere als CO2-neutral sei. Ausserdem werde mit den grossen, oft kahlen Produktionsgebäuden wertvolles Kulturland verbaut.
Schatzmann von Bell sagt zu diesem Vorwurf: «Wer produzieren will, braucht logischerweise Produktionsfläche, entweder in der Schweiz oder im Ausland. Lieber in der Schweiz produzieren, statt Fleisch importieren, so die Haltung von Bell. Man sei zudem daran, beim Sojafutter auf mehr Import aus Europa umzustellen.
Alles nun eine PR-Aktion?
Die Bilanz des energieneutralen Hühnerstalls fällt also zwiespältig aus: Er hilft zwar durchaus, CO2 zu sparen. Doch von einer ganz CO2-neutralen Poulet-Produktion ist Bell noch weit entfernt. Der neue Stall ist für Kritiker deshalb nicht viel mehr als eine PR-Aktion.