Darum geht es: Der Streit um die nachrichtenlosen Vermögen von Opfern des Nazi-Terrors führte zur grössten aussenpolitischen Krise der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg. Den Anfang machte Wachmann Christoph Meili, als er im Januar 1997 aus dem Schredderraum der damaligen Bankgesellschaft vermeintlich Akten über nachrichtenlose Vermögen rettete. Die weltweite Entrüstung, gefolgt von Untersuchungen und Sammelklagen in den USA, führten am 26. Januar 1999 zur Unterzeichnung eines Vergleichs. Dabei zahlten UBS und Credit Suisse fast 1,3 Milliarden Dollar, damals rund 1,8 Milliarden Franken, in einen Entschädigungsfonds zugunsten von vor allem jüdischen Opfern aus der Nazizeit ein.
Der Abschlussbericht: Nun ist in den USA nach über 20-jährigen Arbeiten der Abschlussbericht über die Verteilung der Gelder veröffentlicht worden. Der fast 2000-seitige Bericht rollt nochmals auf, wie die Schweizer Banken in den 1990er-Jahren unter Druck kamen: Sie hätten im Zweiten Weltkrieg aus der Verfolgung der Juden durch Hitler Profit geschlagen und händigten nun den Nachfahren von Holocaust-Opfern die ihnen zustehenden Vermögenswerte nicht aus. Anwälte solcher Nachfahren forderten in Sammelklagen in den USA ursprünglich rund 20 Milliarden Dollar Entschädigung.
Die Verteilung: Der Bericht zeigt detailliert auf, wie diese Ansprüche geprüft wurden und wer wieviel Geld erhalten hat. So wurden insgesamt 458'000 Opfer berücksichtigt. Etwa 100'000 Anträge auf Entschädigung wurden abgelehnt. Ein grosser Teil der Anträge konnte nicht dokumentiert werden. Damit musste der vom Gericht mit der Verteilung beauftragte «Special Master» indirekt feststellen, ob ein Antrag plausibel war.
Diese Gruppen haben Geld erhalten: Die grösste Anspruchsgruppe war jene der früheren Inhaber von Schweizer Konten. Sie erhielten zwei Drittel der Summe, also ungefähr 800 Millionen Dollar. Es gab aber auch andere Entschädigungskategorien, etwa für jene Menschen, die unter Zwangsarbeit gelitten haben oder Menschen, die als Flüchtlinge während des Zweiten Weltkriegs an der Schweizer Grenze abgewiesen wurden. Auffällig ist auch die Verteilung nach Ländern: Mit fast einem Sechstel ging ein grosser Teil der Gelder nach Israel. Fast ein Drittel erhielten Berechtigte in den USA, während nur ein knapper Sechstel in Länder der ehemaligen Sowjetunion floss, obwohl von dort die meisten Anträge kamen.
Mit Anwalt im Vorteil: Dieser Umstand ist unter anderem damit zu erklären, dass sich die USA der Sache in den 1990er-Jahren angenommen hatten. Aber auch damit, dass mehr erhielt, wer sich einen Anwalt leisten konnte. Das waren tendenziell Menschen, die in den USA lebten.
Ein wichtiger Nebeneffekt: Der ganze Prozess hatte Vorbildcharakter für ähnliche Prozesse. Hundertausenden Fällen wurde nachgegangen. Dadurch konnten in den letzten Jahren fast 4,5 Millionen der rund sechs Millionen jüdischen Opfer des Naziterrors identifiziert werden. So konnte also quasi als Nebeneffekt der Entschädigungsnachforschungen vielen Opfern Namen gegeben werden. Namen, die bisher unbekannt waren.