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Wirtschaft Nestlé und sein Milchpulver: Eine Erfolgs- und Leidensgeschichte

Mit Baby-Milchpulver begann vor 150 Jahren der steile Aufstieg von Nestlé. Allerdings war es auch ein leidvoller Weg. Die Vermarktung von Babynahrung ist bis heute umstritten.

Der Milchpulver-Skandal von Nestlé

Mitte der 1970er Jahre legte sich eine Gruppe von Studenten mit der mächtigen Nestlé an. Sie übersetzten einen englischen Bericht, der den Nahrungsmittelkonzern beschuldigte, den Tod tausender Säuglinge in Afrika und Südamerika auf dem Gewissen zu haben. Der Titel des Berichts: «Nestlé tötet Babys.» Nestlé klagte wegen übler Nachrede, es kam zum Prozess.

Einer der Angeklagten ist Rudolf Strahm, früherer SP-Nationalrat und Preisüberwacher. Er kann sich sehr gut erinnern: «Der volle Gerichtssaal löste in uns Angeklagten ein beklemmendes Gefühl aus. Gleichzeitig waren wir auch etwas stolz. Denn schliesslich begleiteten Journalisten aus der ganzen Welt den Prozess.»

Milchpulver steht am Anfang

Mehrere Jahrzehnte zuvor, 1866, erfindet Henry Nestlé das Milchpulver und gründet Nestlé. Das Produkt «Nestlé's Kindermehl» macht das Unternehmen rasch gross – und beschert ihr auch den ersten grossen Skandal in der Firmengeschichte.

In den 1970er Jahren dann veröffentlichen zwei englische Hilfswerke die Studie «The Baby Killer». Die Autoren kommen zum Schluss, dass Nestlé mittels aggressiver Werbung Mütter in Entwicklungsländern dazu verleitet, künstliches Baby-Milchpulver statt Muttermilch zu verwenden. Über die Risiken bei mangelnder Hygiene und verschmutztem Wasser hätte Nestlé die Frauen bewusst nicht aufgeklärt. Die Folge: tausende Babys sterben an Durchfall und anderen Krankheiten.

Moralischer Sieg trotz Verurteilung

Rudolf Strahm und die Gruppe «Dritte Welt Bern» beschliessen daraufhin, die englische Studie auf Deutsch zu übersetzen. Eine Provokation für Nestlé. «Nestlé drohte uns mit einer Klage, sollten wir uns nicht öffentlich entschuldigen und auf weitere Vorwürfe verzichten. Diesen Maulkorb liessen wir uns nicht bieten», erzählt Strahm.

Also lässt Nestlé die Muskeln spielen. Der Konzern verklagt die Aktivisten wegen übler Nachrede und Verleumdung. Und dies mit Erfolg: Nach einem zweijährigen Prozess werden die dreizehn Angeklagten 1976 zu einer Busse von je 300 Franken wegen Ehrverletzung verurteilt.

Trotzdem können Strahm und seine Mitstreiter einen moralischen Sieg feiern. Denn bis tief in konservative Kreise hat deren Anliegen grossen Anklang gefunden. «Der Richter hielt in der Urteilsbegründung fest, dass Nestlé mit seinem unethischen Verhalten verantwortlich für den Tod tausender Kinder sei. Damals ahnten wir noch nicht, was der Prozess für Auswirkungen haben würde.»

«Nestlé hält sich nicht an die Richtlinien»

Tatsächlich tut sich in den kommenden Jahren Einiges. Ein Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1981 erlaubt nur noch eine sehr restriktive Vermarktung von Babynahrung. So müssen die Produkte mit dem Hinweis versehen sein, dass Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten immer besser ist als die Ernährung mit Baby-Milchpulver.

«Nestlé hält sich nicht im Geringsten an die Empfehlungen der WHO und bringt damit weiterhin Babyleben in Gefahr», sagt jedoch Patti Rundall vom International Baby Food Action Network (IBFAN). Fast alle zwei bis drei Jahre listet die Nichtregierungsorganisation Verstösse gegen die WHO-Richtlinie in einem Bericht auf. «Das Marketing von Nestlé zielt stark darauf ab, das Vertrauen der Mütter zu gewinnen. So verleitet Nestlé Mütter weiterhin dazu, konservierte Babynahrung dem Stillen vorzuziehen», sagt Rundall.

Diese Vorwürfe bestreitet Nestlé vehement: «Wir bei Nestlé sind die grössten Botschafter von Brustmilch», sagt Paul Bulcke, Konzernchef von Nestlé. «Wenn eine Frau aber nicht stillen kann, dann braucht sie ein gutes Produkt.»

Nestlé kassiert 25 Millionen vom Steuerzahler

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Noch heute produziert Nestlé Baby-Milchpulver in der Schweiz und exportiert dieses in Länder mit hoher Geburtenrate. «Hier engagieren wir uns stark, denn wir wissen, wie wichtig die ersten tausend Tage für die Gesundheit eines Kindes sind», sagt Bulcke.

Für den Export des absatzstarken Baby-Milchpulvers wird Nestlé übrigens vom Schweizer Staat üppig subventioniert. Dank dem «Schoggigesetz», das den Export von Milchprodukten fördern soll, erhält Nestlé jedes Jahr rund 25 Millionen Franken.

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