Es ist ein Haus ohne Ecken und Kanten. 4'600 Holzbalken verflechten sich zu einer 240 Meter langen Schlange. Dieses aussergewöhnlich designte Gebäude in Biel ist der neue Hauptsitz der Swatch, den sie am Freitag nach fast fünfjähriger Bauzeit eröffnet hat. «Es ist wichtig, dass eine Marke ihr Hauptquartier hat, es ist der Ausdruck ihrer DNA. Die Swatch hat endlich so eine Heimat gebraucht», sagt Nick Hayek, Konzernchef der Swatch Group.
Das extravagante Werk dient nicht nur als Arbeitsplatz, sondern bietet auch eine Erlebniswelt für Uhren. Dies dank Museen für die Marken Omega und Swatch sowie dem weltweit ersten Swatch Drive-Thru-Store.
Gebäude sind Botschafter
Die Swatch ist nicht der erste Uhrenkonzern, der mit aufwendigen Bauten Aufmerksamkeit erregt. Audemars Piguets Museum im Waadt etwa ragt als Spirale aus dem Boden und sollte ursprünglich als Mini-Skipiste dienen. Auch IWC erstrahlt in neuem Glanz und hat im August 2018 für 42 Millionen Franken ein Manufakturzentrum eröffnet.
Moderne Architektur, in der Kunden den Uhrenmachern über die Schulter schauen können. «Ein Katalog kann nicht ersetzten was passiert, wenn der Kunde mit dem Uhrmacher zusammenkommt und hautnah erleben kann, welche Passion und Handwerkskunst in sein Uhrwerk gehen», sagt Christoph Grainger-Herr, Konzernchef IWC.
Extravagant, pompös und innovativ – die repräsentativen Bauten sollen durchaus etwas kommunizieren: «Ein Gebäude ist ein Markenbotschafter und Teil der Unternehmenskultur. Die Art, wie man ein Gebäude gestaltet, soll die Markenwerte symbolisieren», sagt Günter Müller-Stewens, emeritierter Professor für Strategisches Management an der Universität St. Gallen. Insbesondere, wenn der wesentlichste Teil der Bilanzaktiva der Markenwert ist, nutze man alles, was diesen unterstützt.
Die Hauptsitze sollen daher die Tradition der Luxusmarke widerspiegeln sowie Modernität und Innovation verkörpern. «Gewisse Unternehmen erhoffen sich, dass dies nach innen abstrahlt und die Mitarbeiter auf innovative Ideen bringt», führt Müller-Stewens weiter aus.
Kunden binden, statt anlocken
Die Signalwirkung beginnt bereits bei der Wahl des Designers. So setzt die Swatch Group bei der Schlange auf den japanischen Stararchitekten Sigeru Ban, der für seinen humanitären Einsatz bekannt ist. «Mit Ban und dem Element Holz als nachwachsende Ressource möchte Swatch kommunizieren, dass sie für Nachhaltigkeit in der Marke steht», erklärt Müller-Stewens. Denn wurde die Luxusgüterbranche früher mit einer Wegwerfgesellschaft verbunden, entdecke sie derzeit die Verantwortlichkeit zur Umwelt.
Solche Bauten sollen jedoch nicht primär Kunden anlocken, sondern vor allem binden. Denn viele seien Sammler und hätten schon eine ganze Reihe mechanischer Uhren zu Hause – und diese gehen laut Müller-Stewens gerne ins Museum. Für solche Kundenerlebnisse wird viel investiert. Der gesamte Swatch-Komplex etwa hat 220 Millionen Franken gekostet. Strategie-Experte Günter Müller-Stewens verbucht dies unter Markenpflege: «Die Pflege einer Luxusmarke muss man in dieses Budget mit einrechnen. Ob es sich auf Heller und Pfennig rechnet, kann niemand überprüfen.» Profitabilität hin oder her, eins zumindest ist klar: Aufmerksamkeit erregt die Schlange in Biel.