Zwei Attribute werden regelmässig genannt, wenn man sich nach Henrique Schneider erkundigt: Erstens sei er blitzgescheit und zweitens ein Schnelldenker. Als Drittes könnte man «konsequent» anfügen. Denn der 45-jährige Bigler-Nachfolger hat alle Interviewanfragen im Zusammenhang mit seiner Wahl abgelehnt. Er will sich erst äussern, wenn er seine neue Funktion im Sommer antritt.
Keine Auswahl nach Bigler
Im Vorfeld hat die Wahl Schneiders für einige Diskussionen gesorgt. Zu reden gab, dass der Vorstand dem Wahlgremium keine Auswahl anbot und nur Schneider zur Wahl stellte. Nach dem polternden Bigler wünschten sich viele, dass der Verband von einem im Auftritt moderateren Chef geführt wird. Doch gerade diese Fähigkeit trauen Schneider viele nicht zu.
Eine Auswahl hätte sich Thomas Iten gewünscht. Er präsidiert den Verband der Schreinermeister und Möbelfabrikanten und sitzt in der Gewerbekammer. Er schätze Schneider, sagt Iten, hat aber trotzdem Zweifel und sagt: «Er ist sicher eine kompetente Persönlichkeit. Er ist in politischen Themen sehr engagiert. Aber in diesem Bereich muss er seine persönliche Haltung der Haltung des SGV unterordnen. Ich hoffe sehr, dass ihm das gelingen wird.»
Bürgerlich, aber unabhängig
Parteipolitisch ist Schneider schwer fassbar. Er sei tief bürgerlich, aber unabhängig, sagt einer, der Schneider gut kennt. Der Ökonom hat laut verschiedener Quellen in verschiedenen europäischen Ländern, in China und in den USA studiert. Er lebte in Südosteuropa und doziert heute an einer privaten deutschen Fachhochschule Volkswirtschaft. Er sei ein Arbeitstier, heisst es.
Das muss er sein, denn neben seinem Job als Chefökonom beim Gewerbeverband und der Dozententätigkeit ist er Mitglied der Wettbewerbskommission und anderer Organisationen, etwa als Stiftungsrat des Liberalen Instituts, einem liberalen Think-Tank. Daneben betätigt sich Schneider als Autor von Zeitungsartikeln und Büchern.
Mit Vorliebe publiziert er in der «Umwelt-Zeitung». Das Gratisblatt des früheren Weltwoche-Journalisten Philipp Gut bezeichnet sich als liberale Plattform für Innovation und Debatte. Schneider ist seit letztem Jahr Mitherausgeber der Zeitung, die auf ihrer Onlineplattform auch Talks veröffentlicht.
Im vergangenen Dezember war der neue SGV-Direktor Gast zum Thema «Klimapolitik – die Rolle von Staat und Wirtschaft». Angesprochen auf das revidierte CO2-Gesetz kritisierte Schneider jene, die sich für das Netto-Null-Ziel engagieren, als extremistische Gruppe. Sie hätte das Parlament gekapert, sagte er und erklärte die Energiestrategie für komplett gescheitert.
Extreme Forderungen bringen nichts
Solchen Aussagen verdankt Schneider seinen Ruf, scharfzüngig zu sein. Es sind aber dieselben Auftritte, die manche an seinen Fähigkeiten zweifeln lassen, einen grossen Verband zu führen. Viele Mitglieder wünschen sich an der Spitze des Gewerbeverbands jemanden, der vermitteln kann.
So auch der Luzerner Mitte-Nationalrat Leo Müller. Er ist Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben und ein wichtiger Partner der Wirtschaftsverbände. Müller sagt: «Am erfolgreichsten ist der Gewerbeverband, wenn er Forderungen stellt, die erfüllbar sind, die nicht extrem sind und in der Politik eine Mehrheit finden. Mit extremen Forderungen kann man das Ziel nicht erreichen.»