Die Post schreibt Jahr für Jahr weniger Gewinn. Es werden immer weniger Briefe verschickt, die Poststellen rentieren nicht mehr und auch die Post-Bank Postfinance erzielt Jahr für Jahr weniger Einnahmen – welche die Post dringend benötigen würde, um die Grundversorgung weiterhin finanzieren zu können.
Vor einer Woche hat der Bundesrat eine Gesetzesvorlage verabschiedet, damit Postfinance künftig auch Kredite vergeben und mehr Einnahmen erzielen könnte. Doch das Vorhaben ist politisch stark umstritten. Und selbst wenn es durchkäme, hätte die Post nach wie vor viele Herausforderungen zu meistern.
Mehr Kapitän als Manager
Lösen soll all die Probleme des Konzerns der neue Post-Chef Roberto Cirillo. Er ist nicht jemand, der das Rampenlicht sucht. Das wird bei einem Treffen auf der Gartenterrasse eines Restaurants in der Berner Altstadt schnell klar.
Auch als Chef sieht er seine Rolle als Teil eines Teams. Als jemand, der Leute zusammenbringe und ihnen nicht einfach sage, was sie zu tun hätten, sagt Cirillo.
Natürlich braucht es jemanden, der am Ende entscheidet. Aber die Entscheidung ist oft eine gemeinsame.
Roberto Cirillo, mehr Kapitän als Manager? Er meint dazu: «Der Kapitän ist kein schlechter Vergleich. Ein Kapitän macht nicht vieles allein. Es hat viele andere Leute an Bord, die den Kurs des Schiffes bestimmen. Natürlich braucht es jemanden, der am Ende entscheidet. Aber die Entscheidung ist oft eine gemeinsame.»
«Man muss mehr wissen von den Menschen als den blossen Arbeitskontext»
Cirillo hat lange in der Deutschschweiz und im Ausland gelebt. Aber er ist und bleibt Tessiner – durch und durch. Seine Kindheit in der südlichen Schweiz habe ihn geprägt.
Was unterscheidet ihn von einem Deutschschweizer Chef? «Die Offenheit», sagt er, «und wie viel Zeit ich mit den Leuten verbringe, bevor man zur Sache kommt. Man muss mehr wissen von den Menschen als den blossen Arbeitskontext oder die Aufgabe, die gerade erfüllt werden muss.» Cirillo als nahbarer Chef, der auf Umwegen zur Sache kommt, statt ganz direkt.
Doch die Post steht vor Problemen – und es sind nicht wenige. Cirillo muss sie lösen. Wie das so manch anderer CEO auch tun würde, rückt auch der Post-Chef die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fokus.
Er möchte sie alle mitnehmen auf dem Weg in die Zukunft, sagt er – auf dem Weg zu einer moderneren, digitaleren Post. Dass das gelinge, bereite ihm am meisten Sorgen.
«Das braucht einfach Zeit»
Tatsächlich dürfte sich für die Angestellten der Post in den nächsten Jahren viel verändern. Die Post ist ein grosses Traditionsunternehmen mit starren Strukturen. An denen beginnt Cirillo nun zu rütteln.
Dass das einstige Kerngeschäft, der Versand von Briefen, mit dem Versand von Paketen zusammengelegt wird: undenkbar noch vor ein paar Jahren. Doch genau das hat Cirillo vor.
Das grösste Hindernis auf dem Weg in die Zukunft seien nicht etwa die Fähigkeiten der Mitarbeitenden, sagt Cirillo, von denen sei er überzeugt. «Es ist vielmehr die Gewohnheit der Menschen, nichts zu ändern. Das Verständnis für eine Sache muss in ein Gefühl, eine Perspektive, einen echten Willen transferiert werden, sich durch diese Veränderungen zu behaupten und mitzumachen.»
«Das braucht einfach Zeit», sagt Cirillo. Doch viel Zeit hat der Post-Konzern nicht. Er muss rasch reagieren auf wegbrechende Einnahmen und die Digitalisierung, die das ganze Postgeschäft revolutioniert.