SRF News: Welchen Kurs erwarten Sie von Jerome Powell?
Klaus Wellershoff: Ich glaube, wir können einen gemässigten geldpolitischen Kurs erwarten, ähnlich der Politik, die wir bisher gesehen haben. Jerome Powell steht nicht für grossen ökonomischen Sachverstand. In der aktuell schwierigen politischen Situation wird er sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Welche Unterschiede gibt es zwischen Powell und Janet Yellen?
Der grösste Unterschied ist die Qualifikation. Powell ist Jurist. Er hat sehr viel Geld damit verdient, Unternehmen zu kaufen und wieder weiterzuverkaufen. Ein klassischer amerikanischer Self-Made-Man. Wenn in den nächsten Jahren die Folgen der expansiven Geldpolitik der amerikanischen Notenbank zutage treten, wird er wirklich gefordert sein. Es könnten etwa höhere Inflationsraten eintreten oder die nächste Rezession kommen. Powell fehlt der Tiefgang, diese Fragen wirklich beantworten zu können.
Ich halte es für naiv, sich darauf zu verlassen, dass alles gut kommt.
Sie trauen Powell dabei also nicht ganz über den Weg?
Es sind Herausforderungen für den neuen Präsidenten der US-Notenbank, die es so noch nicht gegeben hat. Als Geschäftsmann kann man dabei nicht unbedingt auf Erfahrung zurückgreifen. Man muss mit modernster Forschung und allem, was die Wissenschaft zu bieten hat, an das Thema herangehen. Ob Powell in der Lage ist, mit einem solchen Instrumentarium Geldpolitik in unbekannten Gewässern zu machen, steht in den Sternen. Ich halte es für naiv, sich darauf zu verlassen, dass alles gut kommt.
Die Finanzkrise ist gerade mal zehn Jahre her und jetzt macht man den Bock zum Gärtner.
Wird es eine Rolle spielen, dass Powell als Deregulierer gilt?
Das war sicherlich einer der Gründe, wieso er gewählt wurde. Es stellt aber auch ein grosses Fragezeichen in den Raum: Die Finanzkrise ist gerade mal zehn Jahre her und jetzt macht man den Bock zum Gärtner. Ob das gut kommt, weiss ich nicht.
Trump setzt mit Powell einen Republikaner an die Spitze der Notenbank. Wird das FED dadurch auch abhängiger von der Politik?
Ich bin mir nicht sicher, ob das eine grosse politische Abhängigkeit kreiert. Viel wichtiger wird sein, wie die weiteren Nominationen ausfallen. Das 12-köpfige Gremium, das über die US-Geldpolitik entscheidet, hat im Moment drei Vakanzen. Wenn Frau Yellen jetzt nicht weitermacht, werden es sogar vier Vakanzen. Das wäre möglich, weil sie schon 73 Jahre alt ist und ihr Präsidium abgeben muss. Diese vier weiteren Vakanzen zu besetzen wird entscheidend sein, um dem Gremium den Stempel aufzudrücken. Hier ist das Tor weit offen, denn die Öffentlichkeit wird sich weit weniger um die anderen Nominationen kümmern als um die des Präsidenten der US-Notenbank.
Jetzt geht es darum, die US-Geldpolitik in geordnete Bahnen zurückzuführen. Bei der grössten Währung der Welt muss das gut gehen, sonst gibt es grosse Turbulenzen an den Finanzmärkten.
Was bedeutet Powells Nomination für die Schweizer Geldpolitik?
Kurzfristig relativ wenig. Powell wird bemüht sein, die Politik seiner Vorgängerin fortzusetzen. Mittelfristig bringt es aber mehr Unsicherheit ins Spiel. Die letzten Jahre waren geldpolitisch aussergewöhnlich, die Geldmengen sind geradezu explodiert. Jetzt geht es darum, das Ganze in geordnete Bahnen zurückzuführen. Bei der grössten Währung der Welt muss das gut gehen, sonst gibt es grosse Turbulenzen an den Finanzmärkten.
Das Gespräch führte Andreas Lüthi.