Zum Inhalt springen

Neues Geschäftsmodell Das «Spotify» des Weinkaufs

Immer mehr Menschen lassen sich Online-Einkäufe regelmässig nach Hause liefern. Das Geschäft mit Produkteabos wächst.

Socken, Kleider oder Wein online einzukaufen, ist heute üblich. Ungewohnt ist hingegen, sich diese Dinge automatisch und regelmässig nach Hause schicken zu lassen – also diese Waren zu abonnieren. Was man vom Handy-Abonnement und Netflix kennt, wird aber immer mehr auf physische Waren übertragen.

Das Geschäftsmodell mit Produktabonnementen gewinne an Bedeutung, erklärt der Handelsexperte Thomas Rudolph. Ein Grund ist die Bequemlichkeit: Einfach und schnell erhalte man mit einem Abo Nachschub. In einer Studie der Universität St. Gallen hat Rudolph verschiedene Angebote untersucht.

Diese Abokategorien hat die Studie untersucht

Box aufklappen Box zuklappen
  • «Predefined» [Vordefiniert]: Der Inhalt der Lieferung ist bei der Bestellung klar. Beispiel: Der Anbieter «Blacksocks» liefert regelmässig Socken.
  • «Curated» [Kuratiert]: Der Kunde gibt seine Wünsche an, aber den genauen Inhalt des Angebots kennt er nicht. Beispiel: Der Kleiderhändler «Outfittery» stellt Outfits nach dem Geschmack des Kunden zusammen.
  • «Surprise» [Überraschung]: Kunden wissen nicht, was sie erwartet. Die Lieferung ist ein Überraschungspaket. Beispiel: «Umami-Snack-Import» verschickt japanische Süssigkeiten.
  • «Access» [Zugriff]: Durch das Abonnement erhalten Kunden exklusiven Zugang zu Produkten. Beispiel: Um gewisse Glasfiguren von Swarovski zu kaufen, muss man Teil der «Swarovski Crystal Society» sein.

Ein wesentlicher Treiber sei dabei die Digitalisierung: «Anbieter können so passgenaue und personalisierte Angebote schalten», sagt Rudolph. Eine Verkäuferin kann also anhand von Daten ein Angebot für einen Kunden offerieren. «So bekomme ich Inspiration personalisiert auf meine Bedürfnisse zugespielt».

«Der Grossteil dieser Anbieter sind junge Start-up-Unternehmen», denn sie befassen sich intensiv mit dem neuen Geschäftsmodell, beobachtet Rudolph. Im Gegensatz dazu bedienen etablierte Detailhändler diesen Trend noch kaum. Deren Modell sei der Einzelverkauf: Dafür brauche es Läden und Werbung, die immer wieder zum Kauf bewegten. Das widerspreche einem Produktabo, erklärt der Handelsexperte.

Der Online-Weinhändler Flaschenpost bietet seit eineinhalb Jahren Wein-Abonnemente an. Regelmässig erhalten Kunden eine Auswahl nach ihrem Geschmack und würden so neue Weine entdecken, sagt Co-Gründer Dominic Blaesi: «Dieses Erlebnis ist sicher eine wichtige Motivation unserer Kunden.»

Das Weinabo bedeutet für Flaschenpost einen unternehmerischen Vorteil. «Die Abolieferungen ermöglichen es uns, unsere Prozesse effizienter zu gestalten und besser einzukaufen», erklärt Blaesi.

Laufend gewinne man neue Abonnenten dazu und erhalte viele Rückmeldungen. Die Kunden wünschten gar mehr Personalisierung. Deshalb habe Flaschenpost ein neues Abo-Konzept erarbeitet.

Der Computer trifft die Auswahl

In Zukunft beantwortet ein Neukunde online ein paar Fragen zu seinem Lebensstil: «Mögen Sie lieber Espresso oder Cappuccino? Klassische Kunst oder lieber modernes Design?» Aufgrund dessen könne ein Geschmacksprofil erstellt werden, erklärt Blaesi. «Je mehr Informationen wir über ihn haben, desto besser können wir das Abo auf ihn massschneidern.»

Käufer müssten sich darüber klar werden, ob sie sich den Luxus einer regelmässigen Lieferung leisten wollten, findet Konsumentenschützerin Sara Stalder. Auf den ersten Blick möge ein Produktabo günstig erscheinen, aber auf ein Jahr hochgerechnet sei es teurer als der Einkauf im Einzelhandel.

In vielen Fällen seien zudem die Vertragsbedingungen unfair ausgestaltet. «Man muss aufpassen, dass man nicht in einem Jahresabo landet, das sich stillschweigend erneuert», sagt Stalder.

Für die Anbieter sei das Abomodell jedenfalls eine gute Kundenbindungs-Massnahme, findet die Konsumentenschützerin. Handelsexperte Thomas Rudolph stellte in seiner Studie jedoch fest, dass die Abbruchquoten bei solchen Abos noch relativ hoch seien. Dem Kunden werde zu oft zu viel geschickt, was er schlussendlich nicht brauche. «Wenn das passiert, springt der Kunde ganz schnell wieder ab», sagt Rudolph.

Dieses Risiko kennt auch Dominic Blaesi von Flaschenpost. Er verliert dann Abokunden, wenn deren Weinkeller voll ist.

Meistgelesene Artikel