Aus medizinischer Sicht sind Männer stärker vom Coronavirus betroffen. Ihre Sterblichkeitsrate liegt 60 bis 80 Prozent höher als bei den Frauen. Gesellschaftlich hingegen tragen die Frauen gemäss einer OECD-Studie die Hauptlast der Krise. Das hat mit ihrem verbreiteten Einsatz in Pflege- und anderen Dienstleistungsberufen zu tun, aber auch mit der Rolle in der Familie, wie SRF-Wirtschaftsredaktor Lorenzo Bonati erläutert.
SRF News: Weshalb tragen die Frauen die Hauptlast in der Corona-Krise, wie dies ein neuer OECD-Bericht aufzeigt?
Lorenzo Bonati: Das hat vor allem mit den Berufen zu tun, in denen Frauen übervertreten sind, und die besonders von Corona tangiert werden. Da wäre etwa der Gesundheitssektor, in welchen weltweit fast 70 Prozent der Angestellten weiblich sind. In den Spitälern ist das Ansteckungsrisiko grösser als sonst wo – dieses Risiko tragen also vor allem die Frauen.
Auch in der Gastronomie und im Detailhandel sind die Frauen traditionell stark vertreten – beides Branchen, die wegen der behördlichen Schliessungen mitunter am stärksten tangiert sind und wo aktuell besonders viele Angestellte entlassen werden. Das zeigen die erschütternden Zahlen aus den USA mit zehn Millionen Arbeitslosen in zwei Wochen, viele davon Frauen.
Auch in der schwer getroffenen Gastronomie und im Detailhandel sind Frauen besonders stark vertreten.
Von jenen, die noch Arbeit haben, sind viele im Homeoffice. Was heisst das speziell für die Frauen?
Viele Frauen müssen Beruf und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen. Das gilt natürlich auch für Männer, aber in vielen Ländern ist die Kinderbetreuung eben immer noch hauptsächlich Frauensache. Mit den geschlossenen Schulen steigt die Belastung der Mütter.
Dazu kommt die Problematik der häuslichen Gewalt. Frühere Erfahrungen mit Ausgangssperren und Quarantäne zeigen, dass es mehr Fälle von Gewalt oder Missbrauch gibt, wenn die Menschen zu Hause eingesperrt sind. Auf diesen Umstand weist auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in einer Video-Botschaft vom Wochenende hin.
Was sind denn die Empfehlungen der OECD, um die Frauen besser zu schützen?
Das A und O ist ein funktionierendes Sozialsystem. Das ist schon in normalen Zeiten wichtig, aber in Krisenzeiten ist es essenziell. Die OECD plädiert für eine breite Arbeitslosenunterstützung, Einmalzahlungen an betroffene Angestellte und Haushalte oder Vorschüsse und Kredite für kleine inhabergeführte Betriebe, damit diese nicht Konkurs gehen.
Die OECD-Studie im Detail
Wichtig ist gemäss OECD auch, dass Frauen im Bereich der Grundversorgung wie etwa das Pflegepersonal ihre Kinder nach wie vor in Betreuungseinrichtungen und Kitas geben können. Diese Regelung gilt beispielsweise in der Schweiz – aber natürlich noch längst nicht in allen Ländern.
Ein gut funktionierendes Sozialsystem ist in Krisenzeiten essentiell.
Die OECD plädiert ganz grundsätzlich dafür, dass die Regierungen die Schwächsten der Gesellschaft mit massgeschneiderten Massnahmen unterstützen. Die Schwächsten sind in vielen Ländern leider nach wie vor hauptsächlich die Frauen.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.