- Mit der App Lezzgo Plus wollen die SBB, BLS und Postauto Schweiz das Reisen mit dem ÖV einfacher machen.
- Die App soll automatisch den günstigsten Tarif finden und von der in der App hinterlegten Kreditkarte abbuchen.
- Im Test hat Lezzgo Plus gut funktioniert, doch das nötige Abmelden am Ende der Reise ging regelmässig vergessen.
- Die App erfasst die Bewegungsdaten ihrer Benutzerinnen und Benutzer. Das Vorgehen sei mit dem eidgenössischen Datenschützer abgestimmt.
- Nach dem auf 250 Personen beschränkten Testbetrieb soll die App jetzt für alle Smartphone-Benutzer zugänglich werden.
Mit Lezzgo Plus reist sich tatsächlich einfach: Vor dem Einsteigen in den Bus oder Zug wische ich einen Regler der App nach rechts und schon ist das Billett gelöst. Meine Reiseroute wird automatisch erkannt und soll stets zum günstigsten Tarif abgerechnet werden. Dabei spielt es keine Rolle, wie oft ich während meiner Fahrt umsteige und welche Verkehrsverbünde ich alles benutze.
Rein technisch funktionierte das im Test einwandfrei (abgesehen von ein paar Abstürzen, die einer Beta-Version wohl zu verzeihen sind). Dagegen scheiterte ich regelmässig an der Gewohnheit – denn mit Lezzgo Plus kommt eine neue Mechanik in den Ticketkauf: Heute muss ich nur zu Beginn der Reise ans Billett denken. Danach kann ich es getrost vergessen, ausser der Kontrolleur kommt vorbei.
Nicht so bei Lezzgo Plus: Dort muss ich zu Beginn meiner Reise ans Billett denken und auch am Ende wieder, um mich per Wischgeste nach links wieder abzumelden. Dumm nur: In meinem mehrwöchigen Test habe ich das in geschätzt 90 Prozent aller Fahrten vergessen.
Zusätzliche Kilometer
Ohne Abmeldung zeichnet die App meinen Weg weiter auf und rechnet ihn zur Fahrtstrecke. Das ist nicht schlimm, wenn ich nach dem Aussteigen direkt nach Hause gehe und dort bleibe. Denn nach einer Weile erinnert mich ein Popup-Fenster daran, dass ich noch eingeloggt bin. Und nach längerer Inaktivität meldet mich Lezzgo Plus schliesslich von selber ab.
Geht meine Reise nach dem Aussteigen aber per Auto weiter, können zur eigentlichen Fahrtstrecke noch viele Kilometer dazukommen, die mir die App in Rechnung stellt. In einem solchen Fall muss ich darauf hoffen, dass das Support-Team den Fehler bemerkt und nachträglich korrigiert (was bei mir auch passiert ist). Doch wer weiss, ob das auch noch so gut funktioniert, wenn die App ihre Testphase beendet hat und von weit mehr Leuten als heute genutzt wird.
Niemand will ständig überwacht werden
Gut 150 Test-Benutzer hätten der BLS bis jetzt Feedback gegeben, sagt die Lezzgo-Projektleiterin Silvia Kandera. Von ihnen habe sich niemand über Probleme beim Abmelden beschwert.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob nicht eine Version der App möglich wäre, bei der das An- und Abmelden automatisch geschieht. Schliesslich kennt Lezzgo Plus stets meinen Standort und kann ihn mit den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs abgleichen. Und dank des Beschleunigungssensors des Smartphones kann die App auch sehen, ob ich per Bus oder Bahn unterwegs bin oder zu Fuss oder per Auto.
Doch so ein Automatismus hätte Nachteile, gibt Roman Bertolami zu bedenken, der als Ingenieur am Projekt mitarbeitet. Zum einen müsste die App im Hintergrund immer laufen, was am Smartphone-Akku zehren würde. Und der Batterieverbrauch sei jetzt schon die meistgemeldete Kritik der Tester (mein iPhone 6s hatte damit keine Probleme). Ausserdem müsste die App ununterbrochen meinen Standort erfassen, um mich automatisch an- und abzumelden – aus Sicht des Datenschutzes kein schönes Szenario.
Schwarzfahrer werden erkannt
Bewegungsdaten werden auch jetzt schon erfasst. Allerdings nur, solange die App aktiv ist. Das ist nötig, um für jede Reisestrecke den günstigsten Tarif zu bestimmen. Und die Daten müssen aufbewahrt werden, um Reklamationen nachzugehen und allfällige Rechnungsfehler zu korrigieren. So lässt sich zum Beispiel erkennen, ob sich ein Passagier zu früh abgemeldet hat und trotzdem im ÖV weitergefahren ist. Einem solchen Schwarzfahrer wird im Nachhinein der richtige Tarif in Rechnung gestellt, im Wiederholungsfall kann er auch gesperrt werden.
Aus Revisionsgründen müssen die Daten für ein Jahr gespeichert werden. Danach bleiben sie in anonymisierter Form bestehen und sind keiner bestimmten Person mehr zugeordnet. Diese anonymen Daten können den Verkehrsbetrieben dazu dienen, Verbesserungen am Lezzgo-Plus-System als vorzunehmen. Sie geben auch Auskunft über die zeitliche Auslastung des Streckennetzes und könnten für entsprechende Optimierungen genutzt werden. Das sei derzeit aber nicht geplant, heisst es von Seiten der BLS-Verantwortlichen.
Wie weiter?
Weil sich mit Angeboten wie Lezzgo Plus Ticket-Käufe auf das Smartphone verlagern, könnten die Betreiber auch Kosten für den Unterhalt von Billett-Automaten sparen. Das sei aber kein Thema, sagt Silvia Kandera. Vom Datenschützer gibt es ausserdem die Auflage, dass die Verkehrsbetriebe auch in Zukunft Möglichkeiten anbieten müssen, mit denen sich Billetts anonym beziehen lassen.
Was längerfristig mit Lezzgo Plus passiert ist aber nicht klar. Bei mangelndem Interesse kann die App auch wieder verschwinden. Es ist auch möglich, dass sie in eine andere App integriert wird. Zum Beispiel in SBB Mobile, die Ticket-App der SBB. Dort könnten Kunden dann wählen, ob sie auf herkömmliche Art ein Ticket kaufen oder lieber Lezzgo Plus benutzen. Und darauf hoffen, am Ende der Reise nicht zu vergessen, sich auch wieder abzumelden.