SRF News: Warum ist der Ölpreis so tief?
Cornelia Meyer: Das liegt am Überangebot. Es kommt mehr Öl auf den Markt, als nachgefragt wird. Ein Faktor ist das zusätzliche Schieferöl aus Amerika. Aber auch wichtige Förderländer im Nahen Osten wie Saudi-Arabien produzieren so viel, wie sie nur können. Das heisst: Nun bestimmt die Nachfrage den Preis. Und die ist wegen des flauen Wirtschaftswachstums in vielen Weltregionen nicht so gross.
Warum drosseln die Ölförderstaaten dann nicht ihre Produktion?
Die wollen das nicht. Die grossen Ölförderer in der Golfregion zum Beispiel können die Preisbaisse noch zwei, drei Jahre lang durchstehen. Sie ziehen es vor, dass die Einnahmen aus den Exporten weiter sprudeln. Die grossen Ölfirmen im Westen wie Exxon, BP und Shell haben dagegen schon reagiert. Sie haben zusammen bereits für mehr als 500 Milliarden Dollar Investitionen gestrichen. Doch wenn diese Konzerne heute weniger nach Öl bohren, wirkt sich das erst in drei bis zehn Jahren am Markt aus. Also bleibt das Öl noch längere Zeit billig.
Wird sich die Ölschwemme verschärfen, wenn nun auch noch der Iran mehr Öl verkaufen kann nach dem Ende der Sanktionen?
Ja, aber wohl nur kurzfristig. Der Iran kann zwar rasch das bereits gelagerte Öl auf den Markt werfen. Diese Vorräte sind dann aber nach schätzungsweise zwei bis drei Monaten erschöpft. Danach muss der Iran zuerst viel Geld investieren, um die Produktion dauerhaft auf ein höheres Niveau zu bringen. Und solche Investitionen in die Ölförderung brauchen Zeit.
Wie viel Zeit denn?
Das ist eine Frage von Jahren, nicht von Monaten.
Gibt es also gar keine Korrektur bei den Fördermengen?
In der Vergangenheit hat Saudi-Arabien jeweils kurzfristig die Fördermengen hoch oder runter gefahren. Doch diesmal wartet der Energieriese ab und schaut zu, was am Markt passiert. Derweil leiden vor allem andere wichtige Förderländer wie Venezuela und Nigeria unter der Preisbaisse.
Wie kann der Ölpreis einen Boden finden?
Durch die steigende Nachfrage in den USA, in Europa und in China.
Aber China hat eben erst die eigene Währung abgewertet. Das soll die Wirtschaft ankurbeln, die nicht mehr so kräftig wächst wie auch schon.
Ja, die Abwertung in China war ein Signal, das den Ölmarkt verunsichert hat. Nun befürchten viele Händler, das Land benötige wegen der schwächeren Wirtschaft weniger Öl. Doch gerade die Abwertung des Yuan wird ja helfen, dass China wieder mehr exportierten kann. Und wenn der Wachstumsmotor in China erneut in Schwung kommt, beschleunigt das auch die Konjunktur im Westen.
Wo sehen Sie dann den Ölpreis in nächster Zeit?
Ich rechne für die kommenden zwei Jahre mit einem relativ niedrigen Preis zwischen 40 und 70 Dollar pro Fass.
Können die Konsumenten in der Schweiz auch vom billigen Öl profitieren?
Nur bedingt. In Europa knappst der Staat auf jedem Liter Benzin 50 bis 80 Prozent Steuern und Abgaben ab. Auch die Transportkosten bestimmen wesentlich mit, was der Liter an der Zapfsäule kostet. Die Transportkosten waren in letzter Zeit in der Schweiz ziemlich hoch. Die Konsumenten müssen sich also noch etwas gedulden. Und sie sollten sich auch keine Illusionen machen: Ein Preisrutsch beim Treibstoff und beim Heizöl ist nicht zu erwarten.
Das Interview führte Jan Baumann.