Es war im Herbst 2001. In New York hatte der Terroranschlag auf das World-Trade-Center die Welt gerade in Schockstarre versetzt, auch die Finanzwelt. Doch ausgerechnet dieser Anschlag auf das Herz des amerikanischen Kapitalismus brachte Jim O'Neill, den frisch ernannten Chef-Ökonomen der US-Investmentbank Goldman Sachs, auf die Idee, nach der er gesucht hatte.
Durch den Horror von 9/11 habe er begriffen, dass man aufhören müsse, Globalisierung mit Amerikanisierung gleichzusetzen, erinnerte er sich später im Gespräch mit Radio SRF. Und dass man auch andere Länder mit unterschiedlichem politischem und sozialem Stil einbeziehen müsse.
Stärkeres Engagement in der Weltwirtschaft
Auf der Suche nach neuen Anlagestrategien stiess O'Neill auf vier Länder mit grossem Potenzial: Brasilien, Russland, Indien und China. Die vier bevölkerungsreichsten Schwellenländer der Welt. Er habe gesehen, dass alle vier bereit seien, sich viel stärker in der Weltwirtschaft zu engagieren, als sie das bisher getan hätten. Schnell hatte der britischstämmige Ökonom auch das passende Kürzel gefunden: Bric. Ein gleichnamiger Bericht sollte die Idee auch Investorinnen und Investoren schmackhaft machen. Es hätte der Anfang vom gloriosen Aufstieg der Bric-Staaten sein können. Doch erstmal passierte nichts. Erst zwei Jahre später ging die Post ab.
Die Kundschaft war an diesen Wachstumsmärkten interessiert.
Goldman Sachs veröffentlichte einen weiteren Bric-Bericht, mit grossen Zahlen. Demnach würden die vier Länder – Brasilien, Russland, Indien und China – im Jahr 2050 die Weltwirtschaft dominieren. Jetzt erst wurden Investoren hellhörig. Investoren wie Heinz Rüttimann, der heute für die Zürcher Investment-Management-Firma Alpinum arbeitet. «Die Kundschaft war an diesen Wachstumsmärkten interessiert. Daran teilnehmen konnte sie mit Produkten, die von Investmenthäusern und Banken lanciert wurden. Da war Goldman Sachs nicht allein», sagt er.
Aus Bric wurde Brics
Es gab sehr schnell Nachahmer, andere Investmentbanken, die ebenfalls auf die vielversprechenden neuen Märkte setzten. «2003 ging es wirklich los. Die Performance betrug zwischen 30 Prozent und 100 Prozent.» Auch die vier Länder selbst profitierten davon. Weil auch die Rohstoffpreise zu dieser Zeit hoch waren, erlebten die rohstoffreichen Bric-Länder goldene Zeiten.
Durch die globale Kreditkrise und die Rezession haben die Schwellenländer überdurchschnittlich gelitten.
Doch als 2010 dann noch Südafrika zum Quartett stiess und aus den Bric die Brics wurden, begann der Boom schon wieder abzuklingen. «Durch die globale Kreditkrise und die Rezession haben die Schwellenländer überdurchschnittlich gelitten. Die Nachfrage war komplett weggebrochen. Es gab Performance-Einbussen von 50 Prozent plus», erinnert sich Schwellenländer-Investor Rüttimann. Die Blase war geplatzt.
Für Goldman Sachs endete die Party offiziell 2015, als die Bank ihren Brics-Investment-Fonds schloss. Zuletzt hatte dieser nur noch Verluste eingebracht. Auf die Frage, was von seiner erfolgreichen Idee bleibe, scherzte Jim O'Neill im SRF-Gespräch. Wenn er sich das nächste Mal ein Akronym ausdenke, werde er es einfach «C» nennen. «C» für China. Denn nur China habe sich überdurchschnittlich entwickelt. Die anderen Brics-Länder hätten dagegen enttäuscht.
O'Neill geadelt
Jim O' Neill selbst hat das nicht geschadet. Goldman-Sachs machte den Pöstler-Sohn aus Manchester später zum Chef über 800 Milliarden Dollar verwaltetes Vermögen. Und die Queen adelte ihn mit dem Titel eines Barons. Das tat sie just in dem Jahr, in dem Goldman Sachs den Brics-Fonds schloss.