Die gefälschte Luxusuhr, die kopierte Marken-Handtasche, das illegal hergestellte Medikament: Produktepiraten fügen der Schweizer Wirtschaft enormen Schaden zu.
Bisher konnte man diesen Schaden bloss grob schätzen. Nun liegen erstmals konkrete Zahlen vor, welche die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Auftrag des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum für 2018 erhoben hat.
Stephan Mumenthaler, Direktor von Scienceindustries, einem Verband der Chemie- und Pharmabranche, bringt es auf den Punkt: «Was Geld bringt, wird auch gefälscht.» Mit Fälschungen von Schweizer Produkten und Marken lässt sich viel Geld machen.
Was Geld bringt, wird auch gefälscht.
Morgane Gaudiau, Ökonomin bei der OECD in Paris sagt: Schweizer Unternehmen seien Umsätze in der Höhe von über 4,5 Milliarden Franken entgangen. Und 10'600 Arbeitsplätze seien vernichtet worden. Zugleich seien der Staatskasse Steuereinnahmen von rund 150 Millionen Franken entgangen.
Das alles dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein, wie die Verantwortlichen der Studie gleich selber einräumen.
Das falle ins Gewicht, sagt Felix Addor vom Institut für Geistiges Eigentum: Die 4,5 Milliarden Franken entsprächen in etwa der jährlichen Wertschöpfung der gesamten Schweizer Landwirtschaft.
«Die Gewinneinbussen, die Arbeitsplatzverluste und die Ausfälle für den Staat betreffen uns alle. Unsere Unternehmen stehen zunehmend in einen Wettbewerb nicht nur mit ihren Wettbewerbern im Ausland, sondern auch mit der Fälschungsindustrie. Dieser Wettbewerb ist nicht fair», betont Addor.
Alles wird gefälscht
Die Produktepiraterie zieht sich praktisch durch alle Wirtschaftssegmente – von der Uhren- und Schmuckindustrie über die Bekleidungsbranche bis zu den Pharmaherstellern. Aber auch die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie ist betroffen. Die Palette von gefälschten Industrieprodukten reicht von Stromzählern bis zu Rolltreppen.
Wenn diese Produkte dann nicht funktionieren, schadet das auch dem Ruf der Schweizer Industrie. Gegen die Fälscher vorzugehen, ist aber schwierig. Grossen Konzernen fällt das leichter, kleine und mittelgrosse Unternehmen jedoch haben oft nicht die Mittel, um ihre Rechte rund um den Globus durchzusetzen.
Gut für Fälscher: Corona und Online-Handel
Der OECD-Bericht soll nun den Behörden und der Politik zeigen, wie gross das Problem ist – damit diese mehr zu, um es zu bekämpfen. Eine Sisyphusarbeit. Die Zahlen der Zollverwaltung zeigen, dass immer mehr Produkte an der Grenze beschlagnahmt werden. Die Corona-Pandemie spielt dem Geschäft mit Fälschungen erst recht in die Hände. Der Online-Handel mit gefälschten Schutzartikeln beispielsweise blüht – gerade, wenn Schweizer Qualität vorgegaukelt wird.