Wael Ghonim ist Programmierer und nicht zuletzt deswegen einer der grössten Kritiker der Internet-Branche. Zu Besuch in Zürich ist der Tech-Unternehmer nicht nur, weil seine Tochter im Teenager-Alter schon immer einmal die Schweiz besuchen wollte. Er nutzte die Bühne am diesjährigen Digital Festival für seine Mission. Er warnt vor den Geschäftsmodellen der Tech-Giganten und appelliert an deren soziale Verantwortung.
Zurück auf dem Boden der Tatsachen
Im Interview erklärt er, Wachstum und Schnelligkeit seien überbewertet und können der Menschheit mehr schaden als nützen. Logisch – glaubte er einst, mit einer zehntägigen Revolution ein 60-jähriges politisches Regime zu stürzen. Mittlerweile denkt er pragmatisch über die Chancen und Grenzen der Technologie.
Ich glaube nicht, dass die Zukunft des Internets von Werbung abhängen sollte. Wir sollte in andere Geschäftsmodelle investieren.
Er weiss, wovon er spricht. Von diesen Modellen hat er selber einst profitiert, als Produktmanager und Marketingchef für den mittleren Osten und Nordafrika bei Google. Danach gründete er eines der meistgelesenen Finanzportale im mittleren Osten und später ein Startup, welches von der Frage-Antwort-Plattform Quora übernommen wurde.
IT-Branche zu wenig selbstkritisch
Viele Leute in der Technologie-Branche reflektierten erst jetzt kritisch, woran sie überhaupt gearbeitet haben, stellt Ghonim fest. «Wir haben etwas erschaffen, das viel grösser ist als wir selber, das wir erst jetzt richtig verstehen können», meint er nachdenklich. Es sei an der Zeit, dieses Muster zu durchbrechen. «Move fast and break things» funktioniere nicht mehr - Zerstörung könne nicht einfach rückgängig gemacht werden.
Wir haben etwas programmiert, was viel grösser ist als wir selber. Langsam verstehen das alle, auch Regulatoren. Die Tech-Giganten erwartet eine Welle von Regulierungen.
Deshalb müsse das Internet reguliert und die Macht der Technologiebranche kontrolliert werden. Doch welches sind die richtigen Regulierungen?
Trotz allem optimistisch
Er lenkt ein, dass viele Tech-Unternehmen schon heute verstanden hätten, dass es wichtig sei, ethisch vorbildlich zu sein und damit die Besten der Besten für sich zu gewinnen. Nur so könnten sie sich gesellschaftliche Akzeptanz sichern und ihren Standpunkt behaupten. Informatikern und Programmierern sei es wichtig, hinter ihrem Arbeitnehmer zu stehen. Sei dies nicht mehr gegeben, gehe es auch der Firma schlecht. Deshalb ist Ghonim optimistisch: «Es wird vieles übertrieben dargestellt.»
Trotzdem: «Der Wandel ist rasant. Wir müssen deshalb vorsichtig sein», warnt er. Es sei nun wichtiger, Fehler auszubügeln statt kopflos weiter zu technologisieren. Dann gehe auch der Fortschritt in die richtige Richtung.