Entwicklungs- und Schwellenländer haben letztes Jahr 1.4 Billionen Dollar ausgegeben, um ihre Auslandsschulden zu bedienen. Das sei so viel wie noch nie, schreibt die Weltbank in einem neuen Bericht. Über 400 Milliarden entfielen dabei allein auf Schuldzinsen. Wirtschaftsredaktor Damian Rast beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Weshalb müssen Entwicklungsländer so viel für ihre Schulden bezahlen?
Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen haben viele Entwicklungsländer in den letzten 20 Jahren hohe Summen aufgenommen, beispielsweise um Strassen und Eisenbahnlinien zu bauen oder um Krisensituationen zu bewältigen, wie etwa die Covid-Pandemie. Dabei wurden in vielen Ländern auch wirtschaftlich fragwürdige Ausgaben getätigt.
Zum anderen haben die wichtigen Zentralbanken in den letzten Jahren die Zinsen stark angehoben, um die Inflation zu bekämpfen. Damit wurden die Schulden für die Entwicklungsländer teurer. Insbesondere die Geldpolitik der US-Notenbank hat grossen Einfluss auf die Finanzen der armen Länder, da viele von ihnen in Dollar verschuldet sind.
Welche Folgen haben die Rekordausgaben?
Das Geld, das die Länder aufwenden müssen, um Zinsen zu zahlen, fehlt andernorts. So müssen viele Staaten bei den Investitionen in eine bessere Infrastruktur oder in die Bildung sparen. Das wirkt sich aber langfristig wiederum negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus und damit auch wieder auf die Schuldensituation. Es droht ein Teufelskreis.
Ausserdem ist es für viele Entwicklungsländer fast unmöglich, an bezahlbare neue Kredite zu kommen, weil die Geldgeber angesichts der hohen Schuldenstände daran zweifeln, dass sie ihr Geld wieder zurückbekommen. Damit droht vielen Staaten die Zahlungsunfähigkeit. Teilweise kann dies durch «Notkredite» des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank verhindert werden.
Was lässt sich tun, um die Situation der Entwicklungsländer zu verbessern?
Da gibt es so viele Lösungsansätze, wie es Probleme gibt. Eine wichtige Massnahme wäre in vielen Entwicklungsländern zum Beispiel ,die demokratischen Institutionen zu stärken. Das könnte vielen Volkswirtschaften zu mehr Wachstum verhelfen, wie aus Studien der aktuellen Wirtschaftsnobelpreisträger hervorgeht.
Vermutlich führt aber kein Weg daran vorbei, den besonders stark betroffenen Staaten einen Teil ihrer Schulden zu erlassen. Allerdings ist ein solches Vorhaben sehr schwierig umzusetzen. Voraussetzung wäre nämlich, dass sich die verschiedenen Gläubiger der Staaten an einen Tisch setzen und sich auf die Modalitäten eines Schuldenerlasses einigen.
Weshalb ist eine Einigung zwischen den Geldgebern so schwierig?
Das hat unter anderem damit zu tun, dass das Feld der Kreditgeber sehr heterogen ist: Zu den klassischen Geldgebern – den reichen Staaten des globalen Nordens – sind in den letzten Jahren zahlreiche weitere dazu gekommen, private und öffentliche. Der wichtigste bilaterale Geldgeber vieler Entwicklungsländer ist mittlerweile China. Das Land weigert sich aber standhaft, Schuldenschnitte zu akzeptieren. Diese Haltung führt auch zu einer Zurückhaltung der anderen Geldgeber. Denn keiner will zu Gunsten eines anderen auf seinen Anteil verzichten.
Ausserdem sind viele Staaten zusätzlich bei der Weltbank, regionalen Entwicklungsbanken oder dem Internationalen Währungsfonds verschuldet. Diese multilateralen Geldgeber machen bei Schuldenschnitten grundsätzlich nicht mit.