Chefinnen statt nur Chefs: Wirklich eingelöst ist das bei grossen börsenkotierten Unternehmen in der Schweiz praktisch nirgends, am ehesten allenfalls in Dienstleistungsunternehmen wie Banken und Versicherungen.
Kräftig nachbessern muss hingegen die Industrie. «Da haben wir zu wenig Berufsbilder, die Frauen entgegenkommen. Wir haben auch zu wenig sogenannte Mint-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technologie, Anm. d. Red.)», weiss Personalberater Guido Schilling. Er wertet seit 15 Jahren die Frauenanteile der grössten börsenkotierten Unternehmen aus.
Frauenfreundliche Arbeitsbedingungen
In der Industrie liegt der Frauenanteil in Geschäftsleitungen mit 7 Prozent am tiefsten. Doch auch in anderen Branchen gibt es deutlich zu wenig Chefinnen. Im Detailhandel zum Beispiel. Die Belegschaft bestehe dort zwar zur Hälfte aus Frauen, sagt Schilling, aber nicht im Kader: «Es gelingt einfach nicht, Arbeitsbedingungen zu entwickeln, welche den Frauen im Topmanagement entgegenkommen.»
Das muss sich ändern. Denn ab 2021 gelten für grosse börsenkotierte Unternehmen Geschlechter-Richtwerte. Die Unternehmen haben fünf respektive zehn Jahre Zeit, diese umzusetzen. Unternehmen, die die Richtwerte nicht erreichen, müssen sich in ihren Vergütungsberichten erklären und konkrete Gegenmassnahmen darlegen.
Guido Schilling ist optimistisch. Er geht davon aus, dass in Unternehmen bereits bis in zwei Jahren rund ein Drittel des Verwaltungsrats weiblich ist, wie gefordert, und dass längerfristig auch bei den Geschäftsleitungen das Ziel erreicht wird.
50:50 Beteiligung gewünscht
Für Margit Osterloh, emeritierte Professorin für Betriebswirtschaft der Universität Zürich, geht das zu wenig weit. «Auf lange Sicht gesehen wünsche ich mir eine 50:50 Beteiligung, dass Frauen auch in wichtigen und führenden Positionen in gleicher Weise beteiligt sind, wie es ihrem Ausbildungsstand entspricht.»
Die Geschlechter-Richtwerte sind aus ihrer Sicht also erst ein Anfang, nicht das Ziel.