Die Balkendiagramme, die Nestlé-Chef Mark Schneider bei der virtuellen Investorenkonferenz präsentierte, zeigten es auf einen Blick: Die Wassersparte schwächelt, und zwar massiv. Um mehr als zehn Prozent sind die Verkäufe im ersten Halbjahr eingebrochen – und damit viel stärker als in jeder anderen Sparte. Egal ob Kaffee, Tierfutter oder Fertignahrung. Auch bei der Marge hängt das Wasser hinterher.
Das habe vor allem mit der Coronakrise zu tun, sagt der Nestlé-Chef. Weil viele Leute während des Lockdown zuhause blieben, hat Nestlé in den letzten Monaten deutlich weniger Wasserflaschen an Bahnhöfen, Tankstellen, Hotels und Restaurants verkauft. Doch Tatsache ist, dass das Wassergeschäft schon vor der Coronakrise schwächelte – nicht nur bei Nestlé.
Jon Cox, Konsumgüteranalyst beim Finanzdienstleister Kepler-Chevreux in Zürich, sagt: «Das Unternehmen hat schon seit einiger Zeit Probleme in dem Geschäftsbereich.» Denn nach dem Boom der letzten Jahre gibt es inzwischen starke Konkurrenz im Massengeschäft mit Plastik-Wasserflaschen. Als Folge sind die Preise enorm unter Druck.
Umweltlobby setzt Nestlé zu
Druck bekomme Nestlé aber auch von ganz anderer Seite, sagt Cox: von der Umweltlobby. In Nordamerika und Europa gäbe es wachsende Kritik wegen der Plastikflaschen, in denen das Wasser verkauft. Diese Plastikflaschen landeten am Ende oft in den Meeren, sagt der Analyst.
In Plastik verpacktes Wasser wird für die Hersteller daher zunehmend zum Reputationsrisiko. Nestlé steht zusätzlich im Kreuzfeuer, weil der Konzern seit Jahren öffentliches Wasser von Gemeinden abpumpt, verpackt, und dann auf eigene Rechnung verkauft – wie im Fall von Vittel ohne Rücksicht auf Anwohner und Umwelt.
Vor allem in den USA hat das schon zu Klagen geführt. Und Nestlés Ruf geschadet – was auch Investoren nicht verborgen geblieben ist. Wegen der kritischen Wassergeschäfte wird Nestlé in Nachhaltigkeitsrankings mit Abschlägen bestraft.
So auch von der Nichtregierungs-Organisation CDP, die den ökologischen Fussabdruck von 8400 Unternehmen weltweit misst. Europa-Direktor Steven Tebbe sagt zur Begründung: «In Bezug auf Wasser hat Nestlé noch einige kritische Punkte, die es aufarbeiten muss. Darunter sind teils Dinge, die relativ viel in der Öffentlichkeit diskutiert werden.»
Im Gegensatz zu Nestlé bekommen Konkurrenten wie Danone und Unilever Topratings im Nachhaltigkeitsrankings – auch bein Wasser. Was auch daran liege, dass sie beim Thema Plastikvermeidung schon deutlich weiter seien als der Konkurrent aus Vevey, sagt Tebbe.
Fokus auf Premium-Marken
Der Druck von aussen hat Nestlé-Chef Schneider bereits zu einem Strategiewechsel bewogen. Das Massengeschäft mit Plastik-Wasserflaschen in den USA, das dem Konzern viel Ärger, aber wenig Gewinn einbringt, steht seit Juni zum Verkauf. Anfang nächsten Jahres soll der Verkauf abgeschlossen sein.
Ganz aufgeben will Schneider das Wassergeschäft aber nicht. Nestlé will sich künftig aber nur auf das Premium-Geschäft – zum Beispiel mit Edelmarken wie Perrier, San Pellegrino oder Vittel – konzentrieren. Diese werden in Glas verkauft statt in Plastik. Und sind Kundinnen und Kunden deutlich mehr wert als die austauschbaren Plastikflaschen.