Die Meldung über seinen Abgang bei der Privatbank Pictet war kurz: «Nach sorgfältiger Überlegung und in Absprache mit dem Teilhabergremium hat Boris Collardi entschieden, von seiner Funktion als Teilhaber zurückzutreten», lässt Pictet SRF News ausrichten. Was abgesprochen wurde, darüber schweigt die Bank. Den Abgang von Collardi will sie nicht weiter kommentieren.
Ein Blick auf seinen Werdegang lässt die Hintergründe seines abrupten Ausscheidens aus dem erlauchten Kreis der Privatbank-Millionäre allerdings erahnen. In der Zeit bei Julius Bär forcierte Collardi einen massiven Wachstumskurs, mit welchem er den Gewinn der Bank zeitweise verdoppelte. In der gleichen Zeit spielte Julius Bär eine unrühmliche Rolle bei Aufsehen erregenden internationalen Geldwäscherei-Fällen. Die Aufsichtsbehörde Finma nahm die Bank ins Visier.
In den Nullerjahren hatte Boris Collardi von der Credit Suisse zur Bank Julius Bär gewechselt. Im Mai 2009 wurde er dann im Alter von nur 34 Jahren Chef der Bank, anfangs 2018 verliess er sie wieder und wurde bei der Privatbank Pictet Partner.
Im Februar 2020 stellte die Finma in der Amtszeit Collardis «schwere Verstösse» bei der Durchsetzung von Geldwäscherei-Bestimmungen fest. Sie erteilte ein Jahr später zwei ehemaligen Julius-Bär-Managern – unter ihnen Boris Collardi – eine schriftliche Rüge wegen Fehlern in der Organisationsverantwortung. «Eine direkte, kausale Verantwortung (zu den schweren Mängeln bei der Geldwäschereibekämpfung, Anmerkung der Redaktion) konnte aber nicht nachgewiesen werden», schrieb die Finma in ihrer Mitteilung. Collardi entging aufgrund dieses fehlenden Nachweises einem Berufsverbot.
Für Collardi persönlich keine Nachteile
Der Banker hatte sich damals zufrieden gezeigt, dass die Aufsicht das Verfahren gegen ihn nun abgeschlossen habe. «Diese Entscheidung – und das ist das Wesentliche – stellt einen Schlusspunkt in dieser Angelegenheit für mich dar», schrieb er. Für Collardi persönlich brachte die schwere Gesetzesverletzung der Bank in der Zeit, bei der er ihr oberster Chef war, keine Nachteile. Im Gegenteil: Der Zutritt in den erlauchten Kreis der Pictet-Teilhaber gilt in der Branche als Aufstieg in den Olymp des Private-Bankings.
Boris Collardi ist sicher nicht die Vorbildfigur, die es im Bankensektor braucht.
Er habe als dynamischer Chef gegolten, sagt Compliance-Expertin Monika Roth. Sie hat den Fall Collardi im Zusammenhang mit den Geldwäscherei-Fällen bei Julius Bär eng verfolgt. Collardi habe im Umgang mit für Geldwäscherei anfälligen Kunden im Unternehmen nicht den Ton angegeben. Roth betont: «Er ist sicher nicht die Vorbildfigur, die es im Bankensektor braucht.» Vor diesem Hintergrund sei sie erstaunt, dass Pictet den ehemaligen Julius Bär-Chef zum Teilhaber wählte. Sein Ruf war in der Branche bekannt. «Ich glaube, es war eine Fehleinschätzung», sagt sie. «Diese Geschichte ist ein grosses Missverständnis und eine riesige Fehleinschätzung vonseiten Pictet.»
In der Schweiz habe es in den vergangenen Jahren zunehmend Fälle von fehlbaren Bankern gegeben, sagt Unternehmensberater Bernhard Bauhofer. Es wäre daher falsch, Boris Collardi nun als Buh-Mann der Schweizer Bankenszene hinzustellen. Es gebe auch fehlbare Manager in anderen Banken, wie die jüngsten Skandale in der Schweiz zeigten. So habe die Finanzmarktaufsicht Finma im Falle der Geldwäscherei-Delikte bei Julius Bär auch andere Banken ins Visier genommen, allerdings weiss die Öffentlichkeit darüber fast nichts. «Dem Ruf des Finanzplatzes würde mehr Transparenz und Öffentlichkeit sicher nicht schaden», ist Bauhofer überzeugt.
Kein Kunde will mit einer Bank assoziiert werden, deren Manager in Geldwäscherei-Verfahren verwickelt sind.
Bauhofer berät Firmen – unter ihnen auch Banken – die ihre Reputationsschäden korrigieren müssen. Er kann sich durchaus vorstellen, dass der Abgang von Collardi bei Pictet mit den Geldwäscherei-Fällen bei Julius Bär zu tun haben könnte: «Kein Kunde einer Privatbank will mit einer Bank assoziiert werden, die in irgendwelche Skandale oder Geldwäsche-Situationen verwickelt ist», sagt Bauhofer.
Nach diesen gravierenden Fällen bei Julius Bär werde der Name Collardi heute mit Geldwäscherei in Verbindung gebracht, ob er verurteilt wurde oder nicht. Die Privatbank Pictet verneint einen Zusammenhang zwischen den Geldwäscherei-Fällen und dem Abgang Collardis. Collardi selber nimmt keine Stellung, wie er SRF News mitteilt.
Auch für Compliance-Expertin Monika Roth sind durch gelöste juristische Probleme weder Banken noch Bankmanager aus dem Schneider – unabhängig davon, um welche Person oder um welches Institut es sich handelt. «Der Ruf ist das grösste Problem des Finanzplatzes Schweiz», hält sie fest.
Dieser Ruf werde von einzelnen Akteuren, die sich nicht korrekt verhalten oder sich massiv unkorrekt verhalten, zerstört. Und das trifft die ganze Branche, egal welche Bank für Negativschlagzeilen gesorgt hat. Das habe man auch bei der Credit Suisse und ihren jüngsten Problemen im Riskmanagement gesehen. «Meines Erachtens ist das ein systemisches Reputations-Risiko», sagt sie.