Im Juni noch hatten die Ökonomen der Konjunktur-Forschungsstelle KOF der ETH Zürich erwartet, dass die Schweizer Wirtschaft dieses Jahr um 2,3 Prozent wächst. Heute revidierten sie die Prognose nach oben: Das BIP dürfte gar um 2,9 Prozent wachsen.
Auch andere Institute haben jüngst ihre Prognosen erhöht. Wenn die Wirtschaft derart zulegt, gilt das auch für die Löhne?
Nein. Andreas Kühn führt mit seiner Firma know.ch Lohntendenz-Umfragen durch. Gemäss der neusten Prognose steigen die Löhne 2019 im Schnitt um 0.9 Prozent.
«In der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie wird die Erhöhung etwas stärker sein», sagt Kühn. Dasselbe gelte für die Informations-Technologie, den Gross- und Detailhandel sowie das Banken- und Versicherungswesen. Hingegen stiegen die Löhne etwa in der Medien- und Telekombranche weniger stark, so Kühn.
Wenn die Wirtschaft schwächelt, sinken Löhne auch nicht
Auch die Konjunkturforschungsstelle der ETH rechnet nicht damit, dass die Löhne so stark steigen wie das BIP. Der Grund laut KOF-Ökonom Michael Siegenthaler:
«Wenn das BIP sinkt, sinken die Löhne auch nicht analog zur Wirtschaftsentwicklung». In solchen Phasen kämen Arbeitnehmer verhältnismässig gut weg, weil Arbeitgeber nicht flächendeckend Löhne senkten.
Dafür, so Siegenthaler, investierten Firmen während konjunkturell besseren Phasen oft zuerst in Maschinen oder Produktionskapazitäten. Und nicht in Lohnerhöhungen. «Über einen Konjunkturzyklus aber erhalten die Mitarbeiter ihren gerechten Anteil.»
Anders als etwa in den USA oder in Deutschland sei die Lohnquote in der Schweiz über die letzten 30 Jahre stabil. «Gesamthaft gehen die Löhne also mit der Wirtschaftsentwicklung», sagt Siegenthaler. Das heisse aber nicht, dass dies für jeden einzelnen Arbeitnehmer gelte.
Teuerung wird markant zunehmen
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund forderte jüngst Lohnerhöhungen von bis zu 2,5 Prozent. Dies auch deshalb, weil nach Jahren von tiefer oder negativer Teuerung dieses und kommendes Jahr die Teuerung wieder anzieht.
Tatsächlich werden Arbeitnehmende dies spüren, sagt KOF-Ökonom Siegenthaler: «Ihre Kaufkraft, also das, was sie mit ihrem Nominallohn an Gütern und Dienstleistungen einkaufen können, geht zurück». Entsprechend sei es jetzt nach längerer Zeit wieder nötig, die Nominallöhne zu erhöhen, wenn man die Kaufkraft konstant halten wolle.
Das KOF rechnet dieses Jahr mit einer Lohnsteigerung um 0,8 Prozent. Das reicht nicht, um die Teuerung auszugleichen. Und es reicht bei weitem nicht, um die Forderungen der Gewerkschaften zu erfüllen.