Zuerst gab es von Philipp Hildebrand, der heute als Vizepräsident des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock amtet, ein Lob für die im Saal anwesenden Unternehmer. Die Schweiz spiele Jahr für Jahr in der Champions League. Seit 10 Jahren wachse die hiesige Wirtschaft schneller als der Durchschnitt der OECD-Länder, sagte der ehemalige Präsident der Schweizer Nationalbank (SNB) in seiner Rede am Swiss Economic Forum (SEF).
Einen massgeblichen Anteil daran hätten die Exporte. Die Quote von 60 Prozent am Bruttoinlandsprodukt sei im internationalen Vergleich ein absoluter Spitzenwert und signifikant höher als bei den Exportweltmeistern Deutschland und China.
Globaler Handel unter Beschuss
Hildebrand betonte, dass heute die Globalisierung und der globale Handel «praktisch überall» unter Beschuss stünden. Als Beispiel nannte er den Widerstand gegen Freihandelsabkommen wie das TTP (Trans-Pacific-Partnership) zwischen den USA und Asien oder das TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und Europa.
Populistische Politiker – ob von links oder rechts – hätten derzeit Aufwind, indem sie solche Abkommen zu verhindern versuchten. Mit dem globalen Handel sei ein Fundament am bröckeln, auf dem die Schweizer Wirtschaft beruhe.
Mittel der SNB beschränkt
Doch auch der Schweizer Franken stehe weiter unter Druck. Hier sei die Schweiz gewissermassen Opfer ihres eigenen Erfolges: In Europa gebe es seit 2010 ein eigentliches Krisenfeuerwerk, sagte Hildebrand. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe darauf mit geldpolitischen Lockerungen reagiert, was wiederum den Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken verstärkt habe.
Der Schweizer Franken steht nicht zuletzt wegen unserer wirtschaftlichen Spitzenleistung unter stetigem Aufwärtsdruck
Vor diesem Hintergrund sei die Schweiz immer mehr zum sicheren Hafen geworden. Es gebe starke Kapitalzuflüsse, während die Abflüsse stagnierten. Die Mittel der Nationalbank gegen diese Entwicklung sind laut Hildebrand beschränkt. Die SNB könne nur zwei Dinge tun: Stabile Rahmenbedingungen für die Preisstabilität schaffen und temporäre Brücken in Notfällen errichten.
«Lehrplan aus der ersten industriellen Revolution»
Nach Hildebrand gibt es für die Schweiz keinen anderen Weg als die Herausforderungen der globalisierten Welt anzunehmen. Den Sturm aussitzen und auf die Geldpolitik hoffen – also beispielsweise darauf zu warten, dass die Nationalbank den Franken etwas schwäche und Druck aus dem Markt nehme –, das bringe nichts. Auch der Rückzug auf ein einheimisches Wirtschaftsmodell wäre nutzlos.
Vielmehr müsse in eine zeitgemässe Bildung investiert werden. In der Schweiz werde immer noch nach einem Lehrplan gelebt, der aus der Zeit der ersten industriellen Revolution stamme. Um für die laufende vierten industrielle Revolution, also die Digitalisierung, gewappnet zu sein, brauche es aber mehr.
Geben sie mir einen Grund, wieso ein Basiswissen in Programmieren nicht Teil des offiziellen Lehrplanes für jeden Primarschüler sein sollte
Zwar lerne jedes Kind in der Schweiz lesen und schreiben, nicht aber programmieren. Letzteres gehört laut Hildebrand aber zwingend in den Lehrplan. In der Analogie des früheren SNB-Präsidenten ist das Programmieren vergleichbar mit dem Schreiben, während das Bedienen von Apps und Computern dem Lesen gleichkommt.
Daneben forderte Hildebrand aber auch vermehrte Investitionen in Infrastruktur. Noch nie in der Geschichte der Finanzmärkte sei man so günstig zu Krediten gekommen und könne folglich so günstig investieren wie heute. «Wenn wir jetzt nicht investieren, wann dann?», fragte Hildebrand in den Saal.