Philipp Rickenbacher war 2019 angetreten, um es anders zu machen. Unter den vorherigen Geschäftsführern Bernhard Hodler und Boris Collardi war Julius Bär in zahlreiche Skandale verwickelt.
Anfang 2020 teilte die Finanzmarktaufsicht Finma mit, dass es bei der Bank zwischen 2009 und 2018 «zu schweren Mängeln in der Geldwäschereibekämpfung» gekommen war – Stichworte sind Korruptionsfälle rund um den venezolanischen Ölkonzern PDVSA und den Fussballverband Fifa. Die Bank hatte das Risiko falsch eingeschätzt.
Konzerngewinn bricht ein
Doch unter dem heute 53-jährigen Biotechnologen mit ETH-Abschluss und Ex-McKinsey-Mann kam es nicht anders: Julius Bär ging auch unter Philipp Rickenbacher Risiken ein, die schwer nachvollziehbar sind.
606 Millionen Franken an Krediten, die Julius Bär dem österreichischen Unternehmer René Benko und seinem undurchsichtigen Signa-Imperium gewährt hat, muss sie abschreiben. Der Konzerngewinn bricht von über einer Milliarde Franken vergangenes Jahr um 52 Prozent auf noch 454 Millionen Franken ein.
Risiken begrenzen und überwachen
Dass das nicht einfach nur im Ermessen der Banken liegt, schreibt auch das Gesetz vor. In Artikel 12 der Verordnung über Banken und Sparkassen heisst es: «(Die Bank) muss insbesondere Markt-, Kredit-, Ausfall-, Abwicklungs-, Liquiditäts- und Imagerisiken sowie operationelle und rechtliche Risiken erfassen, begrenzen und überwachen.»
Wie die «Sonntagszeitung» schon im Dezember 2023 berichtete, habe offenbar der ehemalige Finanzchef von René Benko versprochen, dass dieser einen substanziellen Teil seines Privatvermögens bei Julius Bär einbringen werde. Dafür habe sich Julius Bär bei der Übernahme von Globus 2020 und 2021 beim Warenhaus Selfridges als Investmentbank betätigt. Die Bank habe weiterhin Kredite gewährt und als Sicherheiten Signa-Aktien statt Benkos Privatvermögen akzeptiert. Als die Signa-Holding Ende November 2023 Insolvenz anmeldete, verloren die Aktien drastisch an Wert.
CEO Philipp Rickenbacher geht
Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher sagte es am Donnerstag in einem Webcast: «Wir haben das Risiko falsch eingeschätzt.» Die Konsequenz ist, dass CEO Philipp Rickenbacher per sofort die Bank verlässt. Auch der Vorsitzende des Risikoausschusses des Verwaltungsrats, David Nicol, wird an der Generalversammlung 2024 nicht mehr antreten.
Die Bank setzt damit gegen aussen ein Zeichen. Doch das Grundproblem bleibt: Immer wieder schätzt Julius Bär Risiken falsch ein. Die Frage stellt sich: Wird sich das ändern?
Warum passiert das einer Bank wie Julius Bär, die auf ihrer Website mit den Worten wirbt: «Unser gesamtes Handeln orientiert sich an sehr hohen Standards und wir führen unser Unternehmen mit langfristiger Ausrichtung»? Die Antwort lautet: Die Bank hat, einmal mehr, das Risiko falsch eingeschätzt. Auch vor dem Hintergrund, dass es in der DNA von Banken liegt, Risiken einzugehen, um Geld zu verdienen. Die Frage lautet jedoch immer, wie hoch und kalkulierbar diese Risiken sind.