Nick Hayek reagiert leicht gereizt auf die Frage, wieso es so lange gedauert habe, bis sein Unternehmen nun endlich eine Smartwatch lanciert. Er hatte diese Uhr schon vor mehreren Jahren angekündigt.
«Wenn man so etwas selber macht, muss man Zeit und Geld investieren. Wir wollten nicht abhängig sein von amerikanischen Software-Häusern, und dann dauert es halt vier bis sechs Jahre».
Hat die Swatch Group den Smartwatch-Trend verschlafen? Uhrenberater Oliver Müller von Luxeconsult sagt: «Das Unternehmen hat vielleicht nicht richtig eingeschätzt, wie stark dieses Segment boomen wird. Es ist viel zu spät eingestiegen.»
35 Millionen Franken hat die Swatch Group für die neue Tissot-Uhr T-Touch Connect Solar investiert: unter anderem in ein eigenes Betriebssystem, mit Anbindung an Apple- und Google-Smartwatches, und für ein Solarzifferblatt, das sicherstellen soll, dass man die Uhr nur alle sechs Monate aufladen muss.
Hayek setzt auf «Swiss Made» und den Werkplatz Schweiz. Das hat seinen Preis: Die Tissot Smartwatch kostet rund 1000 Franken.
Die neue Uhr hat smarte Funktionen: Schrittzähler und Höhenmeter, kann Benachrichtigungen und Anrufe anzeigen und soll nach einem Softwareupdate auch GPS-Funktionen nutzen können.
Skepsis im Tech-Hotspot Kalifornien
«Die Uhr hat keine Chance», sagt Philippe Kahn, Tech-Innovator und Unternehmer aus Kalifornien. Kahn kennt sich aus mit Smartwatches: Er entwickelt mit seiner Firma Fullpower kontaktlose Biosensoren. Zudem hat er an der ETH Zürich Mathematik studiert und vor ein paar Jahren auch schon die Schweizer Uhrenindustrie bei der Entwicklung von Smartwatches beraten.
«Es ist fast, wie wenn man Rechenschieber verkauft, wenn es auch Taschenrechner gibt», sagt Kahn zur neuen Schweizer Smartwatch.
Er spricht die harte Konkurrenz von Apple & Co. an. Apple beherrscht fünf Jahre nach der Lancierung seiner Apple Watch den Markt und verkauft inzwischen mehr Uhren als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie. Apple und Firmen wie Samsung, Garmin und Fitbit verkaufen Uhren, die mehr Funktionen haben als die Schweizer Uhren und weniger kosten.
Zieht Schweizer Luxus auf dem Smartwatch-Markt?
«Die digitale Welt überholt sich alle zwölf bis 18 Monate», sagt Kahn. Er spricht die Chips an, die immer leistungsfähiger werden. Die Menschen wollten jedes Jahr etwas Neues, sie wollten updaten. «Sie können nicht sagen: Ich bin Schweizer, deshalb baue ich diese schöne neue Uhr, sie ist digital und hält fünf Jahre. Das funktioniert nicht.» Dafür sei die Uhr zu teuer.
Es ist fast, wie wenn man Rechenschieber verkauft, wenn es auch Taschenrechner gibt.
Die Schweizer Uhrenindustrie fokussiere mit Smartwatches zu stark auf das Luxussegment, kritisiert Philippe Kahn weiter. Hublot lancierte ebenfalls in diesem Jahr eine Smartwatch, sogar für 5'500 Franken.
Nick Hayek will sich klar von Apple & Co. abgrenzen: «Jeder kann wählen, wie er will, der Konsument ist frei.» Er bewegt sich mit seiner Smartwatch, anders als die grossen Smartwatch-Player, in einer Nische. «Wir müssen nicht 100 Millionen Stück verkaufen, sondern 2 bis 3 Millionen», sagt er. «Es ist keine Massenware». Hayek sagt, er setze auf Exklusivität, wie auch bei den mechanischen Uhren seiner Marken Breguet, Tissot, Blancpain oder Omega.
Verzicht auf trendige Gesundheitsdaten
Die Uhr glänze zwar durch eine lange Laufzeit, es fehlten ihr aber smarte Funktionen, wie die Konkurrenz sie anbietet, sagt René Weber, Uhrenanalyst der Bank Vontobel.
«Wenn man schaut, wie sich die Smartwatch-Uhrenindustrie entwickelt hat: Da geht’s eigentlich vor allem um Gesundheitsdaten, die fehlen bei Tissot komplett.» Heute gibt es Uhren, welche die Schlafqualität oder sogar Elektrokardiogramme (EKG) erstellen und den Stresslevel messen.
Nick Hayek entgegnet, er wolle keine persönlichen Gesundheitsdaten in der Uhr abspeichern – aus Sicherheitsgründen. «Das überlassen wir denen, die Daten sammeln und verkaufen».
Die Swatch Group: Kampf an vielen Fronten
Die neue Tissot-Smartwatch ist ein Hoffnungsträger. Der grösste Uhrenkonzern der Welt leidet unter einem coronabedingten Absatzeinbruch. Der Betriebsgewinn bis Ende Jahr wird voraussichtlich 50 Prozent tiefer sein als 2019.
Vor allem die Marke Swatch – im tiefpreisigen Segment – sorge für Probleme, sagt Nick Hayek im «ECO»-Studio. Die Marke habe die grösste Konkurrenz – vor allem aus Asien.
Zudem seien die Distributionskanäle verloren gegangen. «In Deutschland sind die meisten Departmentstores Pleite gegangen. Kleine Händler haben zugemacht.» Doch Hayek gibt sich auch zuversichtlich: «Das könnte auch eine Chance sein.»