Smog gehört zum Alltag in den grossen Städten Indiens. Bei der Luftqualität liegen sie weltweit auf den letzten Plätzen. «Luftreiniger stehen in allen meinen Zimmern in Delhi – zu Hause und im Büro, und wenn ich zu Fuss gehe, trage ich eine Maske», berichtet Seema Paul bei ihrem Besuch in Zürich.
Nachhaltig sei das nicht, betont die Leiterin der Nichtregierungsorganisation «The Nature Conservancy India». Der dreckigen Luft entkomme niemand, weder Arm noch Reich. Das Gute daran sei aber, dass alle Teile der Gesellschaft endlich Druck machten, um die Regierung zum Handeln zu bewegen.
«The Nature Conservancy India» handelt im Bereich der Landwirtschaft: «Äcker brennen», sagt die Umweltaktivistin. Das sei für die Bauern immer öfter die billigste Art, die Reste der letzten Reisernte zu vernichten, bevor auf den Feldern Getreide gepflanzt wird.
Wassermangel diktiert Erntezeiten
Zwar ist das Verbrennen der Erntereste nichts Neues. Aber es kommt immer öfter vor: Aus Zeitmangel. Der Hintergrund: schwindende Wasservorräte. Um in der halb-trockenen Region Punjab Reis zu pflanzen, haben die Bauern die Grundwasservorkommnisse fast aufgebraucht. Neu zwingt sie die Regierung deshalb, die Regenfälle in der Monsumzeit zu nutzen. Dadurch aber verkürzt sich der Zeitraum zwischen Reisernte und Getreidesaat auf nur zwei bis drei Wochen.
An gewissen Tagen ist in Neu Delhi die Landwirtschaft für 40 Prozent der Luftverschmutzung verantwortlich.
Das sei der Hauptgrund, weshalb immer mehr Bauern zum Streichholz griffen – mit fatalen Folgen für die langfristige Fruchtbarkeit ihres Bodens, aber auch für die Luftqualität in den grossen indischen Städten in der Region. «Natürlich belasten die Industrie, der Bau und der Verkehr die Luft auch stark. Doch an gewissen Tagen ist in Neu Delhi die Landwirtschaft für 40 Prozent der Luftverschmutzung verantwortlich», so Seema Paul.
Ein «Happy Seeder»
Immerhin, das Problem sei lösbar: Im Auftrag ihrer Organisation hätten indische Wissenschafter den sogenannten Happy Seeder, die fröhliche Sähmaschine entwickelt. Das Gerät kann an einem Traktor befestigt werden. Die Maschine verkleinert und verteilt die Reste der letzten Ernte, lockert den Boden und verteilt gleichzeitig das Saatgut des nächsten Anbaus.
Mit diesem Happy Seeder schonen die Bauern nicht nur Boden und Luft, sie gewinnen auch Zeit und Geld, weil sie in einem Durchgang erledigen können, wofür sie zuvor drei- bis viermal aufs Feld mussten. Bei der Finanzierung des rund 2000 Franken teuren Happy Seeders würden die Bauern vom Staat unterstützt, erklärt Umweltaktivistin Paul.
Noch viel Überzeugungsarbeit nötig
Die grosse Herausforderung sei der Kulturwandel, der den Bauern abverlangt werde. Während Jahrzehnten habe man ihnen gesagt, die Erntereste müssten verschwinden, bevor neu angepflanzt werden könne. Nun seien viele skeptisch, wenn ihnen erklärt wird, das Gegenteil sei besser. «The Nature Conservancy» versuche mit Beispielen von bereits überzeugten Bauern andere zu überzeugen.
Und mit welchen Erwartungen ist sie in die Schweiz gekommen? «Ich geniesse die gute Luft hier», sagt Seema Paul lachend. Ernster fügt sie an, dass Indien dankbar sei für die Unterstützung aus der Schweiz. Die Schweiz habe gewisse Probleme mit der Luftverschmutzung erfolgreich gelöst. Von diesen Erfahrungen könne Indien profitieren. Schliesslich sei es im Interesse aller Länder – auch der Schweiz -, dass das bevölkerungsreiche Indien seine Umweltprobleme in den Griff bekomme.