Die Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) befindet sich in einer Vertrauenskrise. Experten gehen davon aus, dass sie Mühe hat, an Kredite von anderen Banken zu kommen – und dass Kunden weiter Gelder abziehen. Um ihre Liquidität zu stärken, leiht sich die CS 50 Milliarden Franken bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Im Interview bezieht der Schweiz-Chef der Credit Suisse, André Helfenstein, Stellung.
SRF News: Herr Helfenstein, gestern kurz nach acht hat die SNB kommuniziert, die Liquidität der Credit Suisse sei ausreichend. Dann später in der Nacht schreibt die CS, dass sie sich 50 Milliarden Franken von der SNB leihen möchte. Was ist in diesen rund fünf Stunden dazwischen passiert?
André Helfenstein: Es ist eigentlich nichts dazwischen passiert. Klar, 50 Milliarden Franken ist eine grosse Zahl. Die 50 Milliarden sind aber so zu sehen, dass wir unsere Transformation erfolgreich weiterführen wollen und auch ein klares Zeichen in den Markt und in Richtung unsere Kunden geben möchten.
Trotzdem hiess es gestern noch, dass man das Geld der SNB nicht brauche. Da hat sich doch etwas geändert?
Nein, wir sehen es als vorbeugende Liquidität, um die Transformation der Credit Suisse durchführen und in dieser unruhigen Situation gut weiterarbeiten zu können.
Sind Sie zuversichtlich, dass man jetzt mit diesen Massnahmen die Abflüsse stoppen kann?
Wir arbeiten jeden Tag konsequent daran. Es ist aber auch nicht etwas, das von heute auf morgen passiert. Wir müssen versuchen, den Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden zu suchen und sie mit offenen Gesprächen Schritt für Schritt zurückgewinnen.
Wir hatten 2022 generell ein schwieriges Jahr.
Für die aktuellen globalen Umstände kann die Credit Suisse nichts. Sie ist aber das schwächste Glied in der Kette und muss nun am meisten einstecken. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, zum Teil sicher. Wir hatten 2022 generell ein schwieriges Jahr, was uns ja auch dazu bewogen hat, die Strategie der Bank zu ändern. Wir haben Verluste geschrieben, und so war es natürlich unruhig um die Credit Suisse. Und so ist es schon nachvollziehbar, dass die Märkte sich auch auf uns konzentriert haben. Auch wenn viele Marktteilnehmer ja stets betont haben, dass die Credit Suisse, aber auch insgesamt die Schweiz und die europäischen Banken, eigentlich nichts direkt mit der Krise der US-Regionalbanken zu tun haben.
Aus der Politik werden jetzt schon wieder Stimmen laut, dass die Anforderungen an die Banken hinsichtlich Liquidität und Kapital nicht streng genug seien.
Die Schweiz hat strenge Regulatorien, insbesondere für die fünf systemrelevanten Banken. Diese Regulatorien sind wichtig und richtig.
Gibt es Pläne, dass sich der Bund an der CS beteiligen oder anderweitig eingreifen könnte?
Das ist mir nicht bekannt.
Die UBS hatte 2008 viele praktisch wertlose Vermögenswerte in ihrer Bilanz. Müssen wir bei der CS ebenfalls mit Überraschungen rechnen?
Es ist klarerweise unser Ziel, dass wir keine Überraschungen haben.
Im Fall Greensil haben die Aktionäre der CS-Führung die Décharge verweigert. Wird die Bank jetzt Klagen in dieser Angelegenheit erwägen?
Bei Greensil waren viele Parteien involviert. Wir streben natürlich an, unsere Rechte durchzusetzen, nicht zuletzt im Interesse der Investoren. Die dringlichste Aufgabe ist, die Gelder zurückzugewinnen und an unsere Investoren zurückzuführen.
Das Gespräch führte Stefan Frühauf.