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Soldaten der Nächstenliebe Heilsarmee: eine Art Wohlfahrtskonzern

Wäre die Heilsarmee kein gemeinnütziger Verein, gehörte sie zu den umsatzstärksten Schweizer Unternehmen. Ein Portrait.

«Jesus hat die Menschen auch nicht verurteilt», sagt Cornelia Zürrer von der Heilsarmee-Beratungsstelle für Prostituierte. In der Vorweihnachtszeit verteilt das Team Weihnachtsgeschenke im Zürcher Rotlicht-Milieu. Das Beispiel zeigt, der Grundsatz der Heilsarmee, nachdem sie jedem Menschen in Not helfen will, ist nicht bloss ein Lippenbekenntnis – auch wenn der Beruf der Sexarbeiterin nicht den eigenen Grundsätzen entspricht.

Öffentliche Hand als grösste Geldgeberin

Die Beratungsstelle für Prostituierte ist eines von vielen Sozialprojekten der Heilsarmee. Die Freikirche betreibt zum Beispiel auch Kinderheime, Notschlafstellen oder Flüchtlingsunterkünfte. Finanziert werden die Projekte durch Spenden, Erbschaften und von der öffentlichen Hand. Sie ist die grösste Geldgeberin der Heilsarmee Schweiz.

Kantone und Gemeinden übertragen ihr Aufgaben wie etwa das Führen von Kinder- und Altersheimen oder Flüchtlingsunterkünften. Dafür erhält der Schweizer Ableger der internationalen Glaubensgemeinschaft 2017 mehr als 75 Millionen Franken. Knapp 105 Millionen nimmt die Heilsarmee mit dem Betrieb von Brockenhäusern oder Alters- und Pflegeheimen ein.

230 Millionen Franken Umsatz

Doch ohne Spenden und Geld aus Erbschaften könnte die Heilsarmee viele Projekte nicht umsetzen. Rund 50 Millionen Franken kommen im vergangenen Jahr unter anderem bei der vorweihnachtlichen Topfkollekte zusammen. Das Beschallen der Schweizer Innenstädte mit Blasmusik und Gesang bringt der Heilsarmee jedoch nur gerade rund eine Million ein.

Insgesamt macht die Heilsarmee im vergangenen Jahr einen Umsatz von 230 Millionen Franken. Damit spielt sie in derselben Liga wie zum Beispiel der Sportartikelhersteller Mammut oder Chips-Produzent Zweifel. Wäre sie kein gemeinnütziger Verein, würde sie es locker auf die Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz schaffen.

Aktien von Firmen im Waffen- oder Sexgeschäft sind Tabu

Am Hauptsitz der Schweizer Heilsarmee in Bern ist wie bei einer herkömmlichen Firma Unternehmer-Geist spürbar. Oberhalb des Gottesdienst-Saals befinden sich lauter Büros. Nebst Ökonomen aus den eigenen Reihen beschäftigt die Heilsarmee auch externe Experten. Genauso wie Firmen in der Privatwirtschaft, legt auch die Heilsarmee ihr Geld an.

«Das Investieren von Spendengeldern ist heikel», sagt der Finanz-Chef Andreas Stettler. Die Heilsarmee wolle auf keinen Fall an der Börse Geld verlieren und investiert deshalb risikoscheu. Ziel sei lediglich die Kaufkraft der Spendengelder zu erhalten. Dazu kommt: Es gelten die religiösen Grundsätze der Heilsarmee. Das heisst, es wird nicht in Aktien von Firmen investiert, die im Alkohol-, Waffen-, oder Pornogeschäft sind.

«Wir missionieren nicht mit Spendengeldern»

Heikel wird es dann, wenn Spendengelder, die für Sozialprojekte gedacht sind, missbraucht werden, um zu missionieren. Andreas Stettler winkt ab, man missioniere auf keinen Fall damit. Das würde den Ruf einer vertrauenswürdigen Hilfsorganisation zerstören, so Stettler weiter. Bisher ist die Heilsarmee skandalfrei.

Als Kirche hingegen läuft es nicht ganz so rund. Ähnlich wie viele andere konnte die Heilsarmee in den letzten Jahren hierzulande kaum Mitglieder gewinnen. Die Freikirche zählt in der Schweiz knapp 4000 Anhänger, die sich jedoch weiterhin kräftig dafür einsetzen dürften, das Wohlfahrts-Unternehmen am Laufen zu behalten.

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