Im April letzten Jahres verging gefühlt keine Minute, in der man nicht irgendwo von Clubhouse hören oder lesen konnte. So gross war der Hype, dass Investorinnen und Investoren den Wert der App auf stolze 4 Milliarden Dollar schätzten und Twitter sich überlegte, Clubhouse für diese Summe zu kaufen.
Seither hat es keine weiteren Übernahmeangebote gegeben, jedenfalls keine in Milliardenhöhe. Um Clubhouse ist es still geworden – so still, dass anscheinend selbst die russischen Zensoren nicht mehr an die App dachten. Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine blieb sie darum im Gegensatz zu anderen sozialen Netzwerken für die russische Bevölkerung weiter verfügbar.
Wenn das soziotechnische Gefüge passt
Wie konnte eine App, die noch vor kurzem als Zukunft der sozialen Netzwerke galt, so schnell in Vergessenheit geraten? Dafür gibt es einen wichtigen Grund: die Pandemie. Oder genauer: dass die Lockdown-Massnahmen aufgehoben wurden, die viele Leute in die eigenen vier Wände zwangen und Treffen mit Freunden und Familie auf ein Minimum reduzierten.
«Diese Zeit war geprägt von einer Sehnsucht nach sozialen Kontakten», sagt Noemi Festic, die als Oberassistentin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich arbeitet. «Darum hat eine App, in der man in direkten Kontakt mit Menschen treten kann, einfach einen Nerv getroffen.»
Clubhouse hat in der Pandemie einen Nerv getroffen
Innovationen wie zum Beispiel eine neue App seien immer von bestimmten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig, weiss Festic: «Wenn das soziotechnische Gefüge passt, dann können sie schnell erfolgreich sein.» Ist dieses Gefüge – wie nach dem Ende der harten Pandemie-Massnahmen –nicht mehr gegeben, dann können sie aber auch schnell wieder vergessen gehen.
Keine statistisch erfassbaren Zahlen
Dem Erfolg von Clubhouse standen ausserdem hausgemachte Gründe im Weg: So wurde die Android-Version der App erst Ende Mai 2021 veröffentlicht, als der grosse Hype um Clubhouse schon vorbei war. Und auch dass es die App lange mit dem Datenschutz nicht besonders streng nahm, wird viele Nutzerinnen und Nutzer abgeschreckt haben.
Zahlen zur App geben die Macher nur sehr selektiv bekannt. Zuletzt hiess es, die Android-Version sei innert kurzer Zeit rund 10 Millionen Mal heruntergeladen worden. Zuvor war die Gesamtzahl der Downloads auf etwa 14 Millionen geschätzt worden. Seither werden einige dazugekommen sein, doch es wäre erstaunlich, wenn bis heute viel mehr als 50 Millionen Leute Clubhouse heruntergeladen haben.
50 Millionen ist eine stattliche Zahl – doch zum Vergleich: Soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube oder TikTok haben Milliarden von aktiven Nutzerinnen und Nutzern – also Leute, die nicht nur die App heruntergeladen haben, sondern sie auch aktiv nutzen. Dagegen wies eine Online-Erhebung von ARD und ZDF im April 2021 bereits keine statistisch erfassbaren Zahlen täglicher Clubhouse-Nutzer mehr auf.
Selbst von LinkedIn kopiert
Trotz allem ist Clubhouse nicht ohne Einfluss geblieben. Das Prinzip des «Social Audio», das die App bekannt gemacht hat, ist von vielen sozialen Netzwerken kopiert worden. Live mit anderen diskutieren oder anderen live beim Diskutieren zuhören kann man heute auch bei Facebook, Twitter, Spotify, Discord, Reddit, Slack und sogar dem Karriere-Portal LinkedIn.
Dort überall wird «Social Audio» als eine Funktion unter vielen weiterleben, die Leute auf die jeweilige Plattform bringen und dort halten sollen – auch wenn es Clubhouse selbst vielleicht irgendeinmal nicht mehr gibt.
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