Bei seinem alten Arbeitgeber erhielt Stephan Gutzwiller im Rahmen eines Auticon-Pilotprojekts eine Person mit Autismus zugeteilt. Zu Beginn war er skeptisch. Aber nicht lange. Im Gegenteil: Heute ist er Geschäftsführer bei Auticon, sieht die klaren Stärken der Autistinnen und ist überzeugt: «In der IT-Branche hat es viel mehr Autistinnen und Autisten, als bekannt ist.»
Auticon ist eine IT-Beratungsfirma, die ausschliesslich Menschen mit Autismus als Mitarbeitende einstellt. Für Stephan Gutzwiller funktioniert die Zusammenarbeit ausgezeichnet. Autistinnen arbeiten sehr konzentriert, haben hohe Qualitätsansprüche und seien absolut ehrlich.
Die absolute Ehrlichkeit könne zu Beginn irritieren, sei aber nie böse gemeint. «Zudem finden sie kreative Lösungen und schrecken auch vor repetitiven Tätigkeiten nicht zurück.» Als einmalig bezeichnet Gutzwiller ihre Fähigkeit, Muster zu erkennen. Diese sei in der IT-Branche speziell wertvoll.
Der Fairness halber ist anzufügen: Bei Auticon arbeiten nur hochfunktionale Autisten. Eine Zusammenarbeit mit Autistinnen am anderen Ende des Spektrums ist schwer denkbar.
Raum für «Spezielles»
Damit die Zusammenarbeit mit Autisten funktioniere, seien die richtigen Rahmenbedingungen wichtig, meint Gutzwiller. Er nennt immer folgendes Beispiel: «Wenn man einem Autisten am Montag fünf verschiedene Aufgaben gibt und sagt: ‹Diese müssen bis Freitag fertig sein›, dann wird das mit grosser Sicherheit nicht klappen.»
Gibt man hingegen den Auftrag: «Bitte erledigte diese fünf Aufgaben in folgender Reihenfolge bis Freitag», dann werde man gar bis Donnerstag die erledigten Aufträge vorfinden. Bei der ersten Variante seien die Autistinnen vor allem mit dem Priorisieren beschäftigt, was ihnen schwerfalle. Kennt man diese Stärken und Schwächen, kann man sie gezielt fördern bzw. meiden.
Ein weiterer Erfolgsfaktor für Gutzwiller: Eigenheiten von Autistinnen respektieren. Ein Mitarbeiter bei Auticon beispielsweise esse immer alleine zu Mittag. «Essen und gleichzeitig kommunizieren ist für ihn nicht möglich.» Dies sei auch in Ordnung so und zu respektieren. Das als komische Macke abzustempeln, wäre ungerecht und nicht förderlich.
Job-Coaching als Erfolgsmodell
Bei Auticon setzt man für die Autistinnen auf Job-Coaches, wie Kathrin Schneckenburger eine ist. Sie sei das Scharnier zwischen Autistin und Kundin. Die Autistinnen stellen oft die Frage, wie man mit Kunden richtig kommuniziere.
Für sie sei es schwer, Menschen und im speziellen Emotionen und Mimik zu lesen. Dadurch fehle ein wichtiger Teil der Information. «Das kann zu lustigen Situationen führen.» Nicht immer allerdings. Nämlich dann nicht, wenn es zur Verunsicherung der Autisten führe.
Doch auch auf der Kundenseite sei das Coaching beliebt. Schneckenburger müsse die Kunden oft mehr auf die Autisten vorbereiten als umgekehrt. Deshalb gebe es vor jedem Einsatz eine Vorbesprechung mit allen Beteiligten. Dadurch könne Schneckenburger die Kunden auf allfällige Besonderheiten vorbereiten. Dank den Vorgesprächen gebe es dann sehr selten Probleme.
Schneckenburger und die anderen Coaches helfen, wenn immer nötig. Auch für private Anliegen der Autisten habe sie ein offenes Ohr, wenn es die Zeit erlaube. «Das Ziel muss es aber immer sein, die Autistinnen und Autisten zu befähigen.» Eine Abhängigkeit schaffen, das sei auf keinen Fall das Ziel.