Die Schweizer Laufschuhherstellerin On ist mit Glocken und viel Jubel an der amerikanischen Börse empfangen worden. Die Firma ist jetzt rund sieben Milliarden Dollar wert. Damit sind die drei Gründer heute ein grosses Stück reicher geworden. Finanzprofessor Alfred Mettler über die hohe Bewertung und die Chancen eines Börsengangs.
SRF News: Turnschuh-Herstellerin On ist mit ihrem Gang an die Börse nicht allein – derzeit gibt es eine Rekord-hohe Anzahl an Börsengängen. Der Zeitpunkt scheint günstig zu sein, weshalb?
Alfred Mettler: In der Finanz-Literatur wird unterschieden zwischen «heissen» und «kalten» Phasen für Börsengänge. Eine heisse Phase wie momentan ist charakterisiert durch drei Dinge: Erstens befindet sich die Börse im Aufwärtstrend und demzufolge ist viel Optimismus vorhanden. Zweitens gibt es enorm viel anlagesuchendes Kapital und drittens hat es eine hohe Anzahl Firmen, die diesen Schritt wagen wollen. All diese Faktoren treffen auf die aktuelle Situation zu.
Gemäss allen traditionellen Finanzkennzahlen sind sieben Milliarden eine unglaublich hohe Bewertung.
Wo liegen die Risiken bei einem solchen Vorhaben?
Für eine Firma gibt es dabei – abgesehen von erhöhten Offenlegungspflichten – praktisch keine Nachteile, besonders nicht zu einem Zeitpunkt wie jetzt. Es ist vielmehr eine Chance, sich zusätzliches Geld zu verschaffen und von einem Marketing-Effekt zu profitieren. Die Risiken liegen vielmehr bei den Anlegern. Es ist nicht garantiert, dass ein Unternehmen auch nach dem Börsengang erfolgreich bleibt. Traditionellerweise sind diverse solcher Firmen dann eben nicht die «High-Flyers», wie man sie vielleicht erwartet hätte. Man muss schon etwas Glück haben, dass man in die richtigen investiert.
Es gibt im Moment viele Wachstumsfirmen in den USA, die zu sehr hohen Kursen bewerten werden.
Angenommen, der Kurs der On-Aktie hält den hohen Erwartungen nicht stand und bricht in den nächsten Tagen und Wochen ein: Wäre das denn nicht ein Image-Schaden für das Unternehmen?
On hat ein Produkt, nicht nur eine Idee, die sich jederzeit in Luft auflösen könnte. Es ist klar, wie das Unternehmen sein Geld verdient, nämlich mit der Entwicklung und dem Verkauf von Schuhen. Aber abgesehen davon: sollte die On-Aktie – entgegen dem Gesamtmarkt – in den nächsten Tagen tatsächlich einknicken – was ich für höchst unwahrscheinlich halte –, dann wäre ihnen nur noch mehr Aufmerksamkeit garantiert. Und das ist ja auch ein wichtiger Aspekt bei einem Börsengang: die Aufmerksamkeit und der Marketing-Effekt, die dadurch generiert werden.
On wird beim Börsengang mit rund sieben Milliarden bewertet. Wie beurteilen Sie diese Bewertung?
Der Markt habe immer recht, heisst es. Darin steckt auch viel Phantasie über die künftige Entwicklung. On macht zurzeit praktisch keinen Gewinn. Der Umsatz erreicht etwas mehr als eine halbe Milliarde Dollar. Gemäss allen traditionellen Finanzkennzahlen sind sieben Milliarden eine unglaublich hohe Bewertung. Auch im Vergleich mit anderen Sportartikel-Herstellern. On muss also weiterwachsen – und zwar stark wachsen –, darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen und muss unbedingt weiter innovativ bleiben.
Sie empfinden die Bewertung als zu hoch?
Gemessen an allen normalen Bewertungsgrundätzen ist sie auf jeden Fall enorm hoch. Das Einzige, was man dazu sagen kann, ist, dass On sich dabei in guter Gesellschaft befindet. Es gibt im Moment viele Wachstumsfirmen in den USA, die zu sehr hohen Kursen bewerten werden. Ich persönlich bin der Meinung, dass ein Teil dieser Firmen die Erwartungen nicht erfüllen wird.
Das Interview führte Lara Knuchel.