Karin Stierlin ist Sexualpädagogin. Sie hat ein Brettspiel für Jugendliche entwickelt. Das Thema: Wissen über Sexualität. Es hat sich rund 200 Mal verkauft und kommt vor allem in Schweizer Schulen zum Einsatz. Aber auch in Indonesien und Südafrika hat man das Spiel schon getestet. Bald soll es das Game mit dem Namen «Love Land» auch als App geben: In den kommenden Tagen als erste Test-Version, 2017 als fertiges Produkt. Bei der Entwicklung hat sich Karin Stierlin an den Lean-Ansatz gehalten.
Im Gegensatz zum traditionellen Gründungsprozess mit Konzepten und Businessplan liegt der Fokus auf «learning by doing». Das Produkt – oder ein Prototyp davon – soll schnell auf den Markt kommen. Potentielle Kunden werden frühzeitig in den Entwicklungsprozess einbezogen. Die Rückmeldung der Kunden spielt denn auch eine zentrale Rolle.
Das haben Schweizer-Gründer laut Jean-Pierre Vuilleumier, Lean Coach bei der Start-up Factory in Zürich, bislang zu wenig gemacht: «Früher ist man viel zu lange im Labor gewesen oder im Studierzimmer und viel zu wenig schnell zu den Kunden rausgegangen. Es besteht die Gefahr, dass man vergisst, am Markt Feedback zu holen»
Schneller wissen, ob eine Lösung Anklang findet
In Karin Stierlins Fall lief es so: «Das Brettspiel hat so gut funktioniert, dass ich dachte, wir machen 1:1 eine App daraus. Dies, ohne die Leute zu fragen, ob das so überhaupt erwünscht ist. Für die erste Version der App hätten wir beinahe 15‘000 Franken in den Sand gesetzt.», so die Gründerin.
Wie sich nämlich herausstellte, waren die Bedürfnisse der Kunden ganz anders. Dementsprechend musste sie für die App ein eigenständiges Konzept ausarbeiten: «Die Leute wollten nicht von einer Insel zur anderen fliegen, sondern sehr themenspezifisch selber bestimmen, welches Wissen sie sich als nächstes aneignen.»
Jean-Pierre Vuilleumier empfahl Karin Stierlin die Lean-Methode. Er war es, der den Ansatz aus den USA in die Schweiz holte: «Es geht darum, dass man mit weniger Geld schneller weiss, ob ein Problem und eine Lösung überhaupt Anklang finden. So entwickelt man nicht etwas, das niemand kaufen will.»
Grenzen im Life-Sciences-Bereich
Zuerst müsste die Gründerin von Taboobreaker, wie das Start-up heisst, die einfachsten Annahmen auf einer A4-Seite oder Plakat dokumentieren, so Vuilleumier. Dies ist auch Karin Stierlin entgegengekommen: «Ich war erleichtert, denn einen Business-Plan zu schreiben, war sehr mühsam und auch wenig zielführend.»
Der Lean-Ansatz ist jedoch nicht für alle Start-ups gleich gut geeignet. Für Unternehmensgründungen innerhalb der Informations- und Kommunikationstechnik-Branche bietet er sich an, im Life-Sciences-Bereich jedoch ist er fehl am Platz.
Dessen ist sich auch Jean-Pierre Vuilleumier bewusst: «Für Biotech-Unternehmen ist der Ansatz keiner, der erfolgsversprechend sein wird. Dort haben wir viel zu viel regulatorische Vorgaben, es müssen klinische Studien durchgeführt werden, welche man zeitlich nicht verkürzen kann.» Ausprobieren und auf den Markt werfen wäre dort wohl eher eine gefährliche Herangehensweise.