Vor fünf Jahren kostete eine Tonne CO2 im europäischen Emissionshandel weniger als ein Sandwich in einer grossen Stadt: Fünf Euro. Das war so wenig, dass es niemandem weh tat, dem es eigentlich hätte weh tun müssen.
Für die rund 11'000 Betriebe, die in der EU am Emissionshandel teilnehmen müssen, war das Ganze günstig oder sogar gratis. Entsprechend änderte sich wenig.
Preis ist massiv angestiegen
Doch inzwischen ist Bewegung in die Sache gekommen. «Die Marktteilnehmer rechnen damit, dass die EU ihre Klimapolitik deutlich verschärft und die Zahl der Zertifikate im Handel verknappt», sagt Sam van den Plas.
Deshalb, so der Leiter Klimapolitik bei der Nichtregierungsorganisation Carbonmarketwach, die auf Klimapolitik und Emissionshandel fokussiert, würden die Zertifikate immer teurer. In der Tat kostet der Ausstoss einer Tonne CO2 inzwischen fast 45 Euro.
Spekulieren mit Zertifikaten
Ausserdem interessiere sich eine wachsende Zahl von Marktteilnehmern für die schrumpfende Zahl von Zertifikaten, was die Emissionsrechte weiter verteuere, so der Experte. Inzwischen hätten Finanzinvestoren die CO2-Zertifikate als Papiere entdeckt, die Wertsteigerungen für die nächsten Jahre versprechen.
Die Konsequenzen dieser Entwicklung spüren in erster Linie die Betreiber fossiler Kraftwerke, insbesondere von Kohlekraftwerken. Diese würden immer öfter tageweise abgestellt, weil sich die Stromproduktion unter den neuen Umständen nicht mehr lohne, so van den Plas. «Der Emissionshandel erzielt nun einen Effekt, den man von ihm eigentlich vor zehn Jahren erwartet hat.»
Seit 2015, als das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet wurde, haben 150 der gut 300 Kohlekraftwerke in Europa ihren Betrieb eingestellt oder die Schliessung angekündigt.
Noch müssen nicht alle bezahlen
Für van den Plas müsste der Preis für den Ausstoss einer Tonne CO2 in Europa allerdings noch deutlich höher liegen als bei den derzeitigen rund 45 Euro. Vor allem aber sollten alle Klimasünder für CO2-Emissionsrechte bezahlen müssen.
Tatsächlich erhalten viele Unternehmen aus der Zement-, Stahl- und der chemischen Industrie heute immer noch gratis Emissionsrechte, weil die EU-Staaten befürchten, dass die Unternehmen ihre CO2-intensive Produktion aus Europa auslagern könnten, wenn sie den vollen Emissionspreis bezahlen müssten.
Diese Angst sei wohl aber übertrieben, denn der Effekt lasse sich bislang nicht belegen, betont Marktkenner van den Plas. Weil der CO2-Ausstoss für diese Industrien jedoch gratis sei, hätten sie keinen Anreiz, ihre Emissionen zu reduzieren.
Preis dürfte weiter steigen
Der europäische Emissionshandel zeigt also eine gewisse Wirkung, auch wenn noch deutlich mehr möglich wäre. Analysten gehen davon aus, dass der Preis pro Tonne noch in diesem Jahr auf bis zu 75 Euro steigt.
Zudem hoffen die Architektinnen und Architekten des europäischen Emissionshandels, dass andere Länder und Weltregionen ähnliche Mechanismen etablieren und miteinander verbinden. Die Verknüpfung des schweizerischen mit dem europäischen Emissionshandel im letzten Jahr war dafür vor allem symbolisch wichtig.