Die Notenbank der USA hat die Zinswende eingeläutet: Der wichtigste Zinssatz für die weltgrösste Volkswirtschaft steigt. Was diese Kehrtwende in den USA für die Finanzpolitik in Europa und in der Schweiz bedeutet, erklärt SRF-Wirtschaftsredaktorin Lucia Theiler.
SRF News: Was bedeutet dies für die Geldpolitik in Europa?
Lucia Theiler: Die Ausgangslage, mit der sich die Europäische Zentralbank konfrontiert sieht, ist ähnlich wie in den USA. Auch in europäischen Ländern steigen die Preise auf breiter Front. Die Teuerung betrug in der Eurozone im Februar 5.8 Prozent. Darum wird auch die EZB die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bremsen.
Die SNB befürchtet, dass – wenn sie die Zinsen in der Schweiz anhebt – der Franken noch attraktiver wird und noch mehr verunsicherte Investoren ihr Geld in Franken anlegen.
Die Frage ist, welchen Zeitpunkt sie konkret wählt. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die EZB möglicherweise im September und dann auch im Dezember Zinsschritte machen wird und damit noch in diesem Jahr die Leitzinsen erstmals seit längerem anheben wird. Voraussichtlich wird sie auf den Sommer hin ihre milliardenschweren Anleihenkäufe zurückfahren – früher als geplant, um die Inflation zu dämpfen.
Was würde das für die Schweizerische Nationalbank (SNB) bedeuten?
Die SNB ist theoretisch zwar als Instanz unabhängig, aber sie berücksichtigt faktisch bei ihren Entscheidungen die Leitzinsen der EZB. Es geht um den Zinsunterschied zwischen Euro und Franken.
Die SNB befürchtet, dass – wenn sie die Zinsen in der Schweiz anhebt – der Franken dadurch noch attraktiver wird und noch mehr verunsicherte Investorinnen und Investoren ihr Geld in Franken anlegen. Dadurch würde der Franken noch stärker, und das wäre schwierig für die Schweizer Exportindustrie. Viele Ökonomen gehen deshalb davon aus, dass die SNB bei den Zinsschritten auf die EZB wartet.
Der Ukraine-Krieg bremst die Wirtschaft in vielen Ländern. Auch in der Schweiz haben Ökonomen die Prognosen nach unten geschraubt. Wie entscheidend ist es eigentlich in der aktuellen Situation, was Notenbanken tun?
Die Notenbanken können gegen die hohen Inflationsraten antreten. Das ist ihr Zuständigkeitsgebiet. Durch den Krieg drohen weitere Engpässe bei Rohstoffen. Das heizt die Preise an und verschärft damit das Inflationsproblem. Aber es kann sein, dass die Wirtschaft insgesamt nun stärker unter Druck kommt und sich schleppend entwickelt.
Durch den Krieg drohen weitere Engpässe bei Rohstoffen. Das heizt die Preise an und verschärft das Inflationsproblem.
Hohe Inflation, bei gleichzeitiger Wirtschaftsflaute – im Jargon spricht man von Stagflation – dieses Szenario ist nicht mehr so abwegig wie früher noch. Stagflation bringt aber ein Dilemma mit sich: Denn mit höheren Zinsen würde die Inflation dämpfen, und zugleich würde aber die wirtschaftliche Entwicklung gebremst.
Das Gespräch führte Claudia Weber.