Die 14- und 15-Jährigen in der Schweiz können sich in den Sommerferien nicht dem süssen Nichtstun hingeben, sondern müssen sich um ihre berufliche Zukunft kümmern. Schnuppern und Bewerben sind angesagt. Dieses Jahr ist es gleich doppelt anstrengend: Zum einen gab es wegen Corona weniger Schnupper-Lehrstellen. Zum anderen konnten Betriebe ihre Lehrstellen bereits ab dem 1. April und damit vier Monate früher auf dem offiziellen Portal der Kantone gratis ausschreiben.
Was das bedeutet, haben auch die beiden Sekundarschülerinnen Ella und Gianna aus Zürich erfahren, die im nächsten Jahr in die dritte Sekundarstufe kommen. Ella möchte Hebamme werden, Gianna sieht ihre Zukunft als Fachfrau Gesundheit. Während bei Gianna der Berufswunsch schon lange fix ist, hatte Ella etliche andere Berufe in der näheren Auswahl: So schnupperte sie etwa in einem Architekturbüro, was ihr dann gar nicht gefiel. «Es ist schwierig, es wechselt so schnell», erzählt sie.
Mitten im Schnuppern aufgeschreckt
Schnuppern, möglichst oft und in verschiedenen Betrieben, ist also zentral. Wegen der Pandemie war das in den letzten Monaten aber schwierig. Die meisten Schnupper-Lehrstellen hätten sie nur dank Beziehungen gefunden, erzählen die beiden.
Ich kam total in einen Stress, denn ich hatte mich damals noch nicht darum gekümmert.
Und dann seien mitten im Schnuppern schon die ersten Lehrstellen ausgeschrieben worden, berichtet Gianna: «Ich kam total in einen Stress, denn ich hatte mich damals noch nicht darum gekümmert. So entschied ich dann, mich einfach einmal zu bewerben – es einmal mal zu versuchen – mit dem Risiko, die Lehrstelle nicht zu bekommen.» Und so machten sich Gianna wie auch ihre Kollegin Ella bereits in den Sommerferien auch auf die Lehrstellensuche.
Jugendliche noch nicht immer «parat»
Olivia Ott, Abteilungsleiterin für Berufsberatung und erste Ausbildungswahl im Laufbahnzentrum der Stadt Zürich bedauert, dass Lehrstellen bereits ab April auch auf der öffentlichen Plattform namens LENA ausgeschrieben werden können: «Wer kann schon so früh eine Anstellung auswählen, wenn in anderthalb Jahren noch so viel passieren kann? Für Jugendliche, die noch in ihrer Entwicklung stehen, ist das noch viel extremer.»
Wer kann schon so früh eine Anstellung auswählen, wenn in anderthalb Jahren noch so viel passieren kann?
Doch die Unternehmen drängen auf frühe Ausschreibungen, um die besten Lehrlinge für sich gewinnen zu können. Das kann Ott bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen: «Aber die Jugendlichen kommen immer früher aus der Schule, und die Berufswahl muss immer früher starten. Die Jugendlichen sind dann noch nicht immer parat. Das ist eine unglückliche Situation für die Jugendlichen, aber auch ein Stück weit für die Betriebe.»
Grosse Nachfrage bei Pflegeberufen
Erika Kälin arbeitet in einem solchen Betrieb, für das Pflegezentrum Geratrium in Pfäffikon (ZH). Als Ausbildungsverantwortliche hat sie dieses Jahr zum ersten Mal schon im April vier Lehrstellen ausgeschrieben – für Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit: «Der Personalmangel im Pflegebereich ist nach wie vor da und vielleicht noch grösser geworden. Die interessierten Jugendlichen sollen sehen, wo es Lehrstellen gibt, und wo sie sich bewerben können.»
Die interessierten Jugendlichen sollen sehen, wo es Lehrstellen gibt, und wo sie sich bewerben können.
Vergeben würden die Lehrstellen aber wie immer erst im November, betont Kälin. Andere angefragte Betriebe im Gesundheitswesen haben ihre Lehrstellen schon vergeben, möchten dazu aber öffentlich nichts sagen. Die frühe Ausschreibung von Lehrstellen ist ein Versuch. Ob am Termin vom 1. April festgehalten wird oder nicht, entscheidet die Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK) voraussichtlich im Herbst.