Das Wichtigste in Kürze:
- Die SNB hat die Berechnung ihres Wechselkurs-Index fundamental verändert.
- Im neuen Index sind China und Indien gewichtiger, der Euroraum verliert erheblich an Bedeutung.
- Die Nationalbank legt damit eine Grundlage für eine neue Geldpolitik.
Der starke Franken hat Firmen in den Konkurs getrieben, Arbeitsplätze in der Schweiz vernichtet und er ist in gewichtigen Branchen wie Maschinenindustrie, Tourismus und bei Uhrenfirmen bis heute ein Problem. Um die Problematik zu dämpfen, hat die SNB in den letzten Jahren für hunderte von Milliarden Franken Euro gekauft.
Eine neue SNB-Studie lässt indes vermuten, dass die Schweizerische Nationalbank der expansiven Geldpolitik, welche die Frankenstärke gegenüber dem Euro eindämmt, ein Ende setzen wird.
Eine wichtige Basis für die Beurteilung der Frankenstärke ist der SNB-eigene Wechselkurs-Index, und diesen hat die Nationalbank unbeachtet von der Öffentlichkeit gerade erheblich umgestellt. Bisher hat die SNB ihren Index nur auf Basis der Waren-Exporte mit einer festen Anzahl Ländern berechnet.
Neu fliessen in den Index auch die Warenimporte sowie der Handel auf Drittmärkten. Ausserdem werden neu Dienstleistungen miteingerechnet. Und statt einer fixen Länderzahl werden alle Länder erfasst, die einen Export – und Importanteil mit der Schweiz von mehr als 0,2 Prozent aufweisen. Dadurch verschieben sich die Ländergewichte und damit die Währungsgewichte zum Schweizer Franken im Index.
Indien und China gewinnen an Bedeutung
Schneller wachsende Volkswirtschaften nehmen für die Schweiz an Bedeutung zu. Das Gewicht von Indien etwa steigt im Index von 0,6 auf 3,7 Prozent, das heisst die Bedeutung von Indien für die Schweiz hat sich versechsfacht. Die Bedeutung Chinas verdreifacht sich von 2,6 sich auf 8,1 Prozent. Der Euroraum verliert an Gewicht und sinkt von 52,9 auf 42,7 Prozent.
Der Euroraum ist für die Schweiz zwar immer noch der wichtigste Währungsraum, die Abnahme der Gewichtung deutet aber darauf hin, dass die «europaabhängige» Industrie in der Schweiz schrumpft. Und die Korrektur der Währungsgewichte zeigt, dass sich der Schweizer Franken über die vergangenen 15 Jahre real um fast 30 Prozent weniger aufgewertet hat als im bisherigen Index der SNB dargestellt. Man könnte auch sagen: Der Franken ist weniger stark überbewertet als gedacht.
Auf Anfrage der Sendung «ECO» spielt die Nationalbank selbst die Bedeutung herunter: «Unsere Geldpolitik bleibt unverändert.» Sie werde durch ihr Mandat bestimmt, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die SNB betont zudem, der Franken sei noch immer stark überbewertet.
«Mit dem Rücken zur Wand»
Klaus Wellershoff, der ehemalige Chefökonom der UBS und Gründer des Beratungsunternehmens Wellershoff & Partners interpretiert die Daten gegenüber «ECO» indes deutlich anders: «Ich glaube wir dürfen erwarten, dass die SNB ihre Geldpolitik drastisch ändern wird in den kommenden Monaten. Das hat auch etwas mit der Erkenntnis zu tun, dass der Euro vielleicht gar nicht mehr so super wichtig ist für unsere aussenwirtschaftliche Situation.»
Weiter sagt Wellershoff: «Wir haben seit Januar Devisenmarktinterventionen gesehen, die das Ausmass dessen überstiegen haben, was wir vor der Aufgabe der Wechselkursuntergrenze gesehen haben. Da steht die Nationalbank vielleicht sogar mit dem Rücken zur Wand.»
Wir dürfen erwarten, dass die SNB ihre Geldpolitik drastisch ändern wird in den kommenden Monaten.
Auch wenn die SNB selbstredend Kontinuität und Stabilität kommuniziert, lässt sich mit dieser Optik die Anpassung des Wechselkurs-Index per März als eine Vorbereitung der SNB hin zu deutlich weniger Euro-Käufen lesen – und damit auch zu einer Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro.
Gewerkschaft will fair bewerteten Wechselkurs
Der Gewerkschaftsbund warnt jedoch vor einer solchen Entwicklung: «Wir brauchen einen Franken, der schwächer bewertet ist – vor allem gegenüber dem Euro», sagt der SGB-Chefökonom Daniel Lampart. «Wir müssen die industrielle Substanz stärken, und das geht nur, wenn wir einen einigermassen vernünftig und fair bewerteten Wechselkurs haben.»
Klaus Wellershoff dagegen meint: «Unterstellen wir mal für einen Moment, dass Marine Le Pen nicht Präsidentin wird in Frankreich, dann sind die Sorgen um ein Auseinanderbrechen der Eurozone sicherlich kleiner geschrieben und dann kann die Nationalbank auch in ihrer Geldpolitik politisch genauso wie wirtschaftlich entspannter vorgehen.»