Das Wichtigste in Kürze
- Der Kanton Tessin macht wirtschaftlich gesehen oft Negativschlagzeilen – mit Lohndumping, hoher Jugendarbeitslosigkeit und Tourismusflauten.
- Eine aktuelle Studie von BAK Economics zeigt jedoch ein anderes Bild: Der Industriesektor wächst und die Grenzgänger steigern die Produktivität.
Laut Marc Bros de Puechredon vom Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics ist die Wirtschaft im Tessin in den letzten zehn Jahren stärker gewachsen als im Rest der Schweiz. Das Überraschende daran ist: «Die Wahrnehmung des Tessins mit seinen bekannten strukturellen Problemen kommt nicht der Messung der wirtschaftlichen Entwicklung zugute.»
Studie von BAK Economics
Die Studie zeigt auch, dass sich das Tessin punkto Produktivität gut entwickelt hat. Die Strategie der Regierung trage Früchte, sagt Bros de Puechredon. Die Fokussierung auf einzelne Branchen funktioniere gut: So sei im Tessin der Industriesektor in den letzten zehn Jahren fünfmal stärker gewachsen als im nationalen Durchschnitt.
Man sollte nicht vernachlässigen, dass der Wirtschaftsfaktor der Grenzgänger wichtig ist.
Erfreut über die Ergebnisse ist der Auftraggeber der Studie: Luca Albertoni, Direktor der Tessiner Handelskammer. Er hofft, dass diese Resultate die politische Debatte im Tessin weg bringt von der ständigen Diskussion über Grenzgänger und Dumpinglöhne. «Ich verstehe natürlich gewisse Befürchtungen in der Bevölkerung», so Albertoni. Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei heute grösser. Dafür habe er Verständnis. «Aber man sollte nicht vernachlässigen, dass der Wirtschaftsfaktor der Grenzgänger wichtig ist und eine Rolle spielt für die Dynamik der Tessiner Wirtschaft.»
Locarnese hinkt etwas hinterher
Im Raum Lugano, wo die meisten Grenzgänger sind, ist die Produktivität am grössten. Am kleinsten ist sie im Locarnese. Diese Region müsse wegkommen vom Bild der Sonnenstube, die auf den Tourismus setzt, sagt Albertoni.
«Im Locarnese ist die Industrie weniger präsent. Das erklärt ein wenig, warum diese Region mehr Schwierigkeiten hat als die anderen.» Es brauche mehr Industriebetriebe, um wirtschaftliche Fortschritte zu erlangen – «weil die Entwicklung des Tourismus im Locarnese ungenügend ist», attestiert Albertoni.
Lichtblick für das Locarnese ist der Ceneri-Basistunnel. Dieser ermöglicht in rund zwei Jahren eine schnelle Anbindung an die dynamischen Kantonsteile.