Die Schweizer Wirtschaft hat sich am Swiss Economic Forum SEF zum lockeren Austausch getroffen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer schätzen die Atmosphäre in Interlaken, vereinbaren bewusst Treffen mit Geschäftspartnerinnen und -partnern vor Ort statt im Sitzungszimmer oder virtuell per Computer. So ist das SEF auch eine gute Möglichkeit, der Schweizer Wirtschaft den Puls zu fühlen.
Lieferungen um Monate verspätet
Und da zeigt sich in diesem Jahr: Die Schweiz spürt zwar die wirtschaftlichen Folgen der hohen Inflation in Europa deutlich weniger stark als die Nachbarn. Auch sind die Auftragsbücher der Unternehmen grundsätzlich gut gefüllt. Doch die Aufträge auch auszuführen, wird immer schwieriger. Viele der Unternehmen am SEF kämpfen mit Lieferengpässen. Der Computer oder das benötigte Bauteil für eine Maschine fehlen. Statt wie bisher «Just in Time» wird in Jahresfrist geliefert. Die Unternehmen sind gefordert, ihrer Kundschaft Alternativen oder Provisorien anzubieten.
Produktionsstopp wegen hoher Preise
Und was produziert wird, ist deutlich teurer. So verzichten Unternehmen wie Betty Bossi vorerst gar darauf, gewisse Produkte weiter anzubieten. Der Preis für das Kunststoffgranulat beispielsweise, um Silikonbleche oder einen «Spätzli-Blitz» zu produzieren, ist schlicht zu teuer. Oder die Unternehmen müssen die Preise für ihre Produkte deutlich anheben, um keine Defizite zu schreiben.
Fachkräfte fehlen
Eine weitere Herausforderung, mit der sich praktisch sämtliche Firmenchefinnen und -chefs hier herumschlagen, ist der Fachkräftemangel. Gutes Personal ist gesucht – und entsprechend teuer. Wer Spezialistinnen und Spezialisten anheuert, sofern man sie überhaupt findet, muss dafür tief in die Tasche greifen. Und das schmälert den Gewinn der Unternehmen zusätzlich.
Energie nicht mehr selbstverständlich
Und nicht zuletzt sehen sich die Unternehmen mit ganz neuen Fragestellungen konfrontiert. Galt es bisher als selbstverständlich, dass der Strom in der Regel günstig und zuverlässig aus der Steckdose bezogen werden kann, hat sich das nun nicht zuletzt durch die Folgen des Ukrainekriegs geändert. Die Energie werde noch länger teuer bleiben, so der Tenor am SEF.
Das Exportland Schweiz darf auch nicht die Augen verschliessen vor einer deutlich angespannteren weltpolitischen Lage. Das Kräftemessen der Wirtschaftsriesen USA und China werde auch für die Schweiz Folgen haben, das wurde am SEF mehrfach betont. Die Frage steht im Raum, ob sich Unternehmen wohl schon bald für einen der beiden Wirtschaftsblöcke entscheiden müssen. Geschäften überall und mit allen funktioniert unter Umständen längerfristig nicht mehr.
Der Umgangston am SEF ist locker. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweizer Wirtschaft vor grossen Herausforderungen steht.