Die italienische Mutterfirma OVS S.p.A. hat das Abenteuer Schweiz unter dem Strich nur wenig gekostet. In ihrem Strategiebericht, den sie bereits im April vor einem Jahr veröffentlicht hatte, jubilierte die OVS förmlich ob des Schnäppchens: Gerade einmal 14,1 Millionen Franken habe sie investieren müssen, um sich die Kontrolle über 400 Läden in der Schweiz, Österreich, Deutschland, Slowenien und Ungarn zu sichern.
Die Zeche für die Hochzeit hat die Braut nämlich fast vollumfänglich selber bezahlt. Als Teil der Übernahme war vereinbart, dass Charles Vögele seine Immobilen verkauft. 190 Millionen Franken hat der Verkauf des Tafelsilbers eingebracht. Und damit konnten alle zur Zeit der Übernahme bestehenden Schulden bezahlt werden. Weitere Einnahmen kamen durch den Verkauf des Deutschlandgeschäfts an einen niederländischen Konzern dazu.
Alle bestehenden Schulden bezahlt
Damit war es auch möglich, dass der Schweizer Ableger selbst für den Umbau der Läden aufkam, die nachher als OVS-Läden wiedereröffnet wurden. OVS hat auch hier nicht ins Portemonnaie gegriffen. Die Braut musste den Umbau aus ihrem schmalen Budget selber finanzieren.
Ausserdem wurde festgelegt, dass der Einkauf künftig über die Mutterfirma in Italien läuft. Das Einkaufsteam wurde entlassen und ein Einkäuferbüro in Asien geschlossen. Auch im Schweizer Hauptquartier verloren viele Mitarbeitende die Stelle.
Vorgehen erinnert an Hedgefonds
Auch in Zukunft hätte sich die italienische Mutter schadlos halten können, weil der Schweizer Ableger auf dem Umsatz Lizenzgebühren bezahlt hätte. Und OVS rechnete mit massiv höheren Hersteller-Rabatten beim Einkauf, weil diese Hersteller nun doppelt so viele Läden beliefern könnten.
Das Vorgehen erinnert an gewisse Hedgefonds, die nach einer Übernahme die gekaufte Firma aushöhlen und auspressen, um sie dann fallen zu lassen. Doch das kann man OVS hier nicht unterstellen. Die Manager hatten sich viel versprochen, von der Expansion – und waren sich sicher, bereits 2019 einem anderen Investor weitere 45 Prozent der Aktien abkaufen zu können.
Schweizer Markt falsch eingeschätzt
Doch OVS hat den Schweizer Markt völlig falsch eingeschätzt. Sie hat in kürzester Zeit die ohnehin schrumpfende, bestehende Vögele-Kundschaft vergrault, indem sie auf einen Schlag die gesamte Kollektion auswechselte. Und dies ohne vertieft abzuklären, ob denn die neue Ware Käuferinnen finde.
Damit ist OVS schon zum zweiten Mal nach 2004 in der Schweiz gescheitert. Das wird für die Manager zuhause nicht einfach zu erklären sein, auch wenn der Konzern finanziell gesehen wohl mit einem blauen Auge davon kommen wird. Wenn man jedoch einen grösseren Imageschaden vermeiden will, sollte OVS beim Rückzug zumindest dafür schauen, dass für die fast 1000 Mitarbeitenden, die nun vermutlich ihre Stelle verlieren, eine faire Lösung gefunden wird.