In London leben zehn Millionen Einwohner – und pro Jahr werden dort drei Milliarden Bus- und U-Bahn-Fahrkarten verkauft. In diesem Grossstadt-Dschungel will nun auch die Schweizer Ticket-App Fairtiq mitmischen. «Die App-Variante für London ist noch etwas unübersichtlich, da müssen wir noch dran arbeiten», sagt Geschäftsführer Gian-Mattia Schucan.
Er steht mit einem seiner App-Entwickler an einer Busstation in London und bespricht mit ihm letzte Details. Denn die beiden nehmen mit ihrer Anwendung an einem Start-up-Wettbewerb teil, mit dem sie potenziell Milliarden an Fahrten pro Jahr abwickeln könnten.
Billett-Abrechnung auf dem Handy
Das Prinzip der App ist denkbar einfach: Vor dem Einsteigen wird sie auf dem Smartphone aktiviert, beim Aussteigen wieder deaktiviert. Mit Hilfe von GPS-Daten wird die Strecke und der günstigste Fahrpreis berechnet. Wenn der Billett-Kontrolleur vorbeikommt, kann er die entsprechende Billett-Information auf dem Smartphone des Fahrgastes einsehen.
Die App funktioniert heute auf dem gesamten Netz des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz. Und das gerade mal drei Jahre nach der Gründung der Firma. Pro Fahrt erhält das Start-up-Unternehmen zwei bis drei Prozent des Billettpreises. Bisher hat die Firma über 3 Millionen Fahrten gezählt.
Idee kam nach der Zeit bei der SBB
Geschäftsführer Gian-Mattia Schucan kennt die Welt der Fahrkarten: Er war Leiter Vertrieb und Services der SBB – sozusagen der oberste Billettverkäufer der Schweiz. Dann hat er sich selbstständig gemacht, und hat heute mit Fairtiq wieder viel mit seinem ehemaligen Arbeitgeber zu tun.
«Als ich noch bei der SBB war, gab es auch schon Ideen, das Ticketing einfacher zu machen», sagt Schucan. Aber diese Ideen hätten hunderte Millionen Franken gekostet. «Mit der heutigen Smartphone-Technologie geht das viel einfacher», sagt er. Als Start-up habe man mehr Freiheiten als eine grosse Firma wie die SBB – und «man kann mehr ausprobieren.»
Fairtiq ist nicht allein mit diesem Ticket-System. Auch die BLS Lötschbergbahn mischt mit Lezzgo mit und die Südostbahn (SOB) hat für ein ähnliches System mit Siemens zusammengespannt.
England wäre nicht die erste Expansion ins Ausland. Schon länger kann die App im österreichischen Vorarlberg genutzt werden und bald auch in der deutschen Stadt Göttingen. Tests laufen in mehreren weiteren deutschen Städten und auf dem Netz der niederländischen Bahngesellschaft (NS).
Ein Ziel der Expansion ins Ausland ist auch, möglichst viele Daten über die Nutzung der App zu sammeln, um sie so zu verbessern. Mit GPS, Bewegungs- und Konto-Daten gibt der Nutzer zwar viel von sich preis. Datenschutz werde aber gross geschrieben, versichert der Geschäftsführer.
Lösung für den Londoner Verkehrs-Dschungel?
In Grossbritannien konnte Fairtiq den Start-up-Wettbewerb für sich entscheiden. Ein Verantwortlicher sieht grosses Potenzial in der App aus der Schweiz: «Eine Lösung wie Fairtiq hätte hier im Vereinigten Königreich massive Vorteile», glaubt Ian McLaren.
«Das Bahn- und Bus-System ist unglaublich komplex, denn es gibt mehr als 20 private Anbieter. Fairtiq würde es ermöglichen, mit einer App alle Verkehrsmittel zu nutzen, was heute nicht geht.» Und McLaren schiebt nach: «Es ist sehr gut möglich, dass irgendwann Fairtiq national eingeführt wird.»