Kaum hatte das World Economic Forum (WEF) in Davos seine Tore geschlossen, begann auch schon das nächste Wirtschaftstreffen. Am Swiss Economic Forum (SEF) in Interlaken nahmen am Donnerstag und Freitag rund 1000 Gäste teil, 60 Persönlichkeiten sprachen an diversen Veranstaltungen.
Die Schweizer Wirtschaft agiere auf der Weltbühne, somit sei Geopolitik nicht nur etwas für Grossmächte, sondern ein spielentscheidender Faktor für Unternehmen, sagte Bundespräsident Ignazio Cassis in seiner Eröffnungsrede. Die neue vermeintliche Sicherheit nach dem Fall der Mauer habe aber dazu verführt, die eigene Verletzlichkeit zu unterschätzen: Zuerst die Pandemie, dann der Krieg Russlands gegen die Ukraine hätten eine Epoche der Hoffnung zurückgeworfen.
Dieser Krieg verlange unterschiedliche Antworten. Die politische bestehe aus der «kooperativen Neutralität», welche den schweizerischen Werten vollständig entspreche, erklärte Cassis. Gegenüber der Verletzung fundamentaler Rechte könne die Schweiz nicht gleichgültig bleiben.
Cassis skizzierte drei Szenarien aus diesem Krieg: Eine mögliche sektorielle Globalisierung mit Blöcken und regionalen geschlossenen Kreisläufen. Oder das Zurückfahren der Hyperglobalisierung mit einer Renationalisierung von systemkritischen Ressourcen. Als drittes Szenario ein fokussierter Multilateralismus, für den sich Cassis ausspricht. Damit liessen sich Problem wie Klima, Pandemien und Armut lösen, Antworten auf Krisen, Handelsblockaden, bei der Energieversorgung oder der Massenmigration angehen.
SEF unter dem Motto «Reaching out»
Das Swiss Economic Forum ist traditionellerweise eher nationaler ausgerichtet und fokussiert auf das Unternehmertum. Dennoch dominierte in diesem Jahr auch hier der Ukraine-Krieg. Schweizer Unternehmen berichten von Problemen in den Lieferketten und von gestiegenen Preisen. Unter dem Motto «Reaching out» sprachen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am SEF über Lösungsansätze.
Neben Hunderten Schweizer Firmenvertretern waren auch in diesem Jahr einige internationale Gäste anwesend. Auch eine Reihe hochkarätiger weiblicher Expertinnen hielt bereits Reden. Da wären die amerikanische Historikerin Anne Applebaum, die niederländische Politikwissenschaftlerin Ayaan Hirsi Ali und die frühere Ikea Schweiz-Chefin Simona Scarpaleggia.
Die preisgekrönte Journalistin und Historikerin Anne Applebaum bezog klar Stellung im Ukraine-Krieg und sagte klipp und klar: «Putin muss gedemütigt werden.»Putin und der ganzen russischen Elite müsse aufgezeigt werden, dass diese Sichtweise in eine Sackgasse führe.
Politikwissenschaftlerin Ayaan Hirsi Ali wiederum mahnte zu mehr Ehrlichkeit und prangerte die Scheinheiligkeit des Westens an. Wir riefen manchmal zwar zur Kooperation auf, praktizierten sie aber nicht, kritisierte sie.
Am SEF werden traditionell Preise an Jungunternehmen vergeben. In diesem Jahr nehmen Yamo in der Kategorie Produktion/Gewerbe, Auterion bei Hightech/Biotech und Carvolution bei den Dienstleistern den mit 25'000 Franken dotierten «Swiss Economic Award» mit nach Hause.