Fast 10 Jahre lang von – 2007 bis 2015 – hat die Postauto AG geschummelt und getrickst. So hat sie den Gewinn möglichst klein gehalten, um hohe Subventionen zu kassieren. Fast 80 Millionen Gelder von Bund und Kantonen wurden so zu viel ausbezahlt. Dieses Geld wurde in einem Sammelkonto versteckt. Verschoben wurden jeweils nur kleine Beträge – teilweise wenige hundert Franken – dafür aber systematisch.
Hans-Peter Wessels, Präsident der Direktoren des öffentlichen Verkehrs (KöV), kann es kaum glauben: «Es ist hochgradig irritierend, dass diese Ungereimtheiten, die teilweise zehn Jahre zurückliegen, jetzt erst entdeckt werden. Das wirft kein allzu gutes Licht auf die Kontrollmechanismen.»
Es ist für mich ein ganz grosser Skandal.
Für Verkehrspolitiker Ulrich Giezendanner ist diese Schummelei mehr als nur irritierend: «Es ist für mich ein ganz grosser Skandal.» Das verlange nach einer gründlichen Aufklärung.
Dieser Meinung ist auch die Präsidentin der nationalrätlichen Verkehrskommission, Edith Graf-Litscher: «In erster Linie müssen diese rund 80 Millionen wieder an den Absender zurückbezahlt werden, sprich Bund und Kantone.»
Das werde man schnellstmöglichst tun, hat Post-Konzernchefin Susanne Ruoff heute versprochen. Auch erste personelle Konsequenzen hat Ruoff gezogen. Der Postautodirektor und der Finanzchef mussten die Sessel per sofort räumen. Gleichzeitig hat das Bundesamt für Verkehr angekündigt, Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft einzureichen
Giezendanner hinterfragt Rolle der Postchefin
Das reicht SVP-Verkehrspolitiker Giezendanner aber nicht. Man müsse auch die Rolle der Postchefin selbst durchleuchten. Es sei nur schwer nachvollziehbar, dass man diese Schummelei über Jahre nicht bemerkt habe, sagt Giezendanner.
Mit der Trickserei hat man dem Postauto und dem öffentlichen Verkehr allgemein einen Bärendienst erwiesen.
Die Post rechtfertigt sich damit, dass die unrechtmässigen Subventionen von den Verantwortlichen in einem Sammelkonto in der Buchhaltung der Postauto AG versteckt worden sind. Dies sei nicht aufgefallen.
Reihenweise ungeklärte Fragen
Aber weshalb wurde überhaupt geschummelt? Was war das Motiv, für diese jahrelange, systematische Trickserei? Der Bündner CVP-Ständerat und Verkehrspolitiker Stefan Engler hat dazu keine Antworten – nur Fragen: «Liegt wirklich eine Täuschung zugrunde? Wollte jemand unrechtmässigerweise das Unternehmen bevorzugen? Es gibt ja keine Anhaltspunkte, dass sich jemand persönlich bereichert hätte. Geht es um Fehler in der Buchhaltung, um technische Fragen?»
Er hoffe, dass hier die Untersuchung des Bundes und der Post Antworten liefere. Erst dann stelle sich auch die Frage nach weiteren Konsequenzen, auch von politischer Seite.
Dass wegen der Subventionsschummelei bereits die Geschäftsprüfungskommission des Parlamentes aktiv werden müsste, hält auch Verkehrskommissionspräsidentin Graf-Litscher für verfrüht. Das Wichtigste sei jetzt, dass – neben den Untersuchungen – die Post dringend wieder Vertrauen schaffe. Denn mit der Trickserei habe man dem Postauto und dem öffentlichen Verkehr allgemein einen Bärendienst erwiesen.
SRF News: Wirtschaftsredaktorin Denise Schmutz war an der Medienkonferenz dabei. Die Post-Tochter hat über Jahre getrickst. Warum hat das nie jemand bemerkt?
Denise Schmutz: Das ist in der Tat eine gute Frage. Auf den Vorwurf, warum die Sache erst jetzt entdeckt wurde, hiess es beim Bundesamt für Verkehr: Fragen Sie bei der Post nach. Bei der Post wiederum heisst es, Postauto habe bis vor kurzem eine eigene Finanzabteilung gehabt. Deshalb habe auch Konzernchefin Ruoff erst im November von der Sache erfahren.
Höhere Subventionen brachten Postauto mehr finanziellen Spielraum in einem recht umkämpften Markt.
Ausserdem werde Postauto – weil es Subventionen erhält – durch das Bundesamt für Verkehr geprüft. Das heisst: Der Schwarze Peter wird hin- und hergeschoben. Interessant ist auch: Hätte Postauto nicht seit 2016 eine neue Holding-Struktur, wäre das Ganze wohl gar nie ans Tageslicht gekommen. Deswegen hat das Bundesamt für Verkehr Postauto erst einer eingehenderen Prüfung unterzogen.
Was weiss man über das Tatmotiv?
Nicht viel. Stand heute weiss man zumindest: Niemand hat sich persönlich bereichert. Klar ist, dass höhere Subventionen Postauto mehr finanziellen Spielraum in einem recht umkämpften Markt brachten. Postauto steht im Wettbewerb mit privaten Anbietern.
Über ihre Funktion in der Muttergesellschaft ist Postchefin Ruoff mitverantwortlich, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Interessant ist diesbezüglich etwa, was im Geschäftsbericht 2012 stand: Dort war zu lesen, dass Bund und Kantone infolge der Wirtschaftskrise weniger Abgeltungen an Transportunternehmen leisten können würden. Demgegenüber stünden steigende Mobilitätsbedürfnisse. Die Leistungen könne man also nicht zurückfahren. Das zeigt, dass der finanzielle Druck bei Postauto in den letzten Jahren zugenommen hat. Diesen Druck zu vermindern, wäre ein mögliches Motiv. Das alles bleibt aber Spekulation.
Auch die Postchefin selber kommt unter Druck. Übt Nationalrat Giezendanner zu Recht harte Kritik an Susanne Ruoff?
Sie hat heute mehrmals betont, dass sie selber erst im November von der Sache erfahren habe und Massnahmen ergreifen wolle. Es ist aber naheliegend, dass sie ins Visier gerät. Über ihre Funktion in der Muttergesellschaft ist sie mitverantwortlich, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Auch wenn an ihr vorbeigeschummelt wurde und auch wenn sie nicht ins operative Geschäft von Postauto involviert war: Letztendlich muss sie den Kopf auch für Kritik hinhalten.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.