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Trotz Tadel von Klimaschützern Siemens will Kohlebergwerk in Australien beliefern

  • Der deutsche Industriekonzern Siemens liefert nun definitiv eine Zugsignal-Anlage für die Erschliessung eines Kohlebergwerks in Australien und missachtet damit die Kritik von Umweltorganisationen.
  • Die Organisatoren der Klima-Bewegung «Fridays For Future» haben einen Protest an der Siemens-Hauptversammlung in München geplant sowie in vielen anderen deutschen Städten.
  • Die Debatte um den Bau der Kohlemine hatte vor dem Hintergrund der Buschbrände in Australien an Brisanz gewonnen.

Siemens habe alle Optionen geprüft und sei zum Schluss gekommen, man müsse den vertraglichen Verpflichtungen nachkommen, teilte Konzernchef Joe Kaeser auf Twitter mit. Zugleich wolle der Konzern ein Nachhaltigkeitsgremium schaffen, um Umweltfragen in Zukunft besser zu managen.

Eher geringer Auftragswert

Der Auftragswert der Zugsignalanlage für eine Eisenbahnlinie von der Kohlemine in Australien zu einem Hafen ist mit 18 Millionen Euro für die Verhältnisse des Konzerns eher gering.

Entstehen soll eines der grössten Kohlebergwerke der Welt, das aus fünf Untertageminen und sechs Tagebaustätten bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördern soll.

Debatte durch Buschbrände verschärft

Nach Bekanntgabe des Entscheids von Siemens plant «Fridays for Future» für diesen Montag Proteste in zahlreichen deutschen Städten. Am Morgen fanden sich auf der deutschen Homepage der Klimabewegung insgesamt zwölf Veranstaltungen. Eine weitere sei am Hauptsitz des Konzerns in München geplant, wie eine lokale Sprecherin von «Fridays for Future» sagte.

«Der Dialog mit Umweltaktivisten ist zur Pflicht geworden»

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Einschätzung von Wirtschaftsredaktor Andi Lüscher:

«Siemens-Chef Joe Kaeser stellt keine Ausnahme dar. Auch Unternehmer und Spitzensportler Roger Federer sah sich dieser Tage gezwungen, auf die Kritik der Klima-Jugend zu reagieren. Beide zeigen Verständnis für die Kritik, beide rechtfertigen ihr Handeln. Im Sinne eines «Reputationsrisiko-Managements» macht das durchaus Sinn: Die Zahl der Umweltaktivisten und deren Sympathisanten steigt. Mittels Social Media können diese regelrechte «shitstorms» auslösen. Der Dialog mit ihnen ist Pflicht geworden. Unter dem Strich zählen dann allerdings die umweltfreundlichen Taten – egal, ob die Triebfeder eine moralisch-ethische ist, oder ob eine betriebswirtschaftliche Logik dahintersteckt. Denn oft findet das Umdenken bei den Unternehmen nicht wegen eines «shitstorms» statt, sondern weil die Investoren an den Finanzmärkten zunehmend nachhaltige Geschäftsmodelle einfordern.»

Bereits am Freitag hatten Anhänger der Klimabewegung in deutschen Städten gegen die Mitwirkung von Siemens an dem Bergbauprojekt protestiert. Vergeblich, wie sich heute Montag zeigte. Aktivist Nick Heubeck hatte sich noch mit Konzernchef Kaeser getroffen, um ihn von seinen Plänen abzubringen.

Zum Klimaschutz gehört eben auch, sich nicht am Bau eines Wahnsinns-Projekts zu beteiligen, das im Alleingang das weltweite 1.5-Grad-Ziel gefährdet.
Autor: Nick Heubeck Aktivist von «Fridays For Future»

Auch die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg hatte sich eingeschaltet. «Es scheint so, als ob Siemens die Macht habe, den Bau der riesigen Adani-Kohlemine in Australien zu stoppen, zu verzögern oder zumindest zu unterbrechen», hatte sie am Samstag auf Twitter geschrieben.

CO2-Ausstoss in aller Munde

Bei der Kritik am Bau der Kohlemine des indischen Energiekonzerns Adani Power geht es neben dem Klimaschutz auch um den Verbrauch von Wasser, die Zerstörung von Lebensraum und den Transport der Kohle über das Great Barrier Reef, das grösste Korallenriff der Welt.

Verschärft hatten die Debatte auch die seit Wochen tobenden Buschbrände in Australien. Die Feuer werden auch auf die globale Erwärmung zurückgeführt, für die der Ausstoss von Kohlendioxid (CO2) mitverantwortlich gemacht wird. Kohlekraftwerke gelten deshalb als besonders umweltschädlich.

Australischer Premier unbeliebt wie nie

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Der australische Premierminister Scott Morrison hat während der seit Monaten tobenden Buschbrände deutlich an Popularität verloren: Seit Anfang Dezember fielen die Zustimmungwerte um 8 Punkte auf 37 Prozent, wie aus einer Umfrage der konservativen Zeitung «The Australian» hervorgeht. Damit hat Morrison so wenig Sympathie wie noch nie in seiner anderthalbjährigen Amtszeit.

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