Die US-Regierung setzt Europa bei den Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen TTIP einem Medienbericht zufolge deutlich stärker unter Druck als bisher bekannt. Washington drohe damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, schreibt die «Süddeutsche Zeitung» unter Berufung auf Verhandlungsdokumente, die Greenpeace vorliegen.
Die USA wollten damit im Gegenzug erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnehme. Laut den Dokumenten, die auch den beiden deutschen TV-Sendern WDR und NDR vorliegen, attackiere die US-Regierung das grundlegende Vorsorgeprinzip beim EU-Verbraucherschutz, der 500 Millionen Europäer derzeit vor Gentechnik und Hormonfleisch in Nahrungsmitteln bewahrt.
Die Unterlagen offenbarten zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigerten, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie hätten stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht.
«Albtraum», der «sehr bald Realität wird»
Mit der Publikation der TTIP-Unterlagen erhalten die EU-Bürger erstmals Einblick in die Verhandlungen zwischen den USA und Europa. Während die EU ihre Vorschläge bisher veröffentlichte, beharrten die USA bislang auf Geheimhaltung ihrer Positionen. TTIP-Gegner üben immer wieder scharfe Kritik an dieser Intransparenz.
Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch sprach mit Blick auf die Unterlagen von einem «Albtraum», der «sehr bald Realität werden» könnte. Besondere Sorge bereiten ihm die Forderungen der USA nach einer Lockerung des Verbraucherschutzes.
US-Präsident Barack Obama und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten bei ihrem Treffen in Hannover am Sonntag vergangener Woche zur Eile bei den TTIP-Verhandlungen gemahnt. Merkel betonte, das Freihandelsabkommen sei aus europäischer Perspektive sehr wichtig für das Wirtschaftswachstum in Europa.
Obama brachte zwar seine Hoffnung zum Ausdruck, bis Anfang 2017 die Verhandlungen zu beenden. Er ging aber nicht von einer Ratifizierung des Abkommens aus. Das liege auch am US-Wahlkampf. Einen Tag vor dem Besuch Obamas hatten in Hannover Zehntausende gegen TTIP demonstriert.