Schon, als die ersten Gerüchte die Runde machten, dass Multimilliardär Elon Musk Twitter kaufen wolle, musste man darauf hinweisen, dass man bei Herrn Musks Aussagen nie genau weiss, was er wirklich will. Und auch nicht, ob sie die ganze Wahrheit sind.
Und so darf man nun erneut rätseln, was er mit dem knappen Tweet meint, der Kauf von Twitter sei auf Eis gelegt, bis er mehr wisse über den Anteil falscher Nutzer auf der Plattform.
Es könnte sein, dass Musk diese Frage nach Fake- und Spam-Accounts tatsächlich umtreibt. Dass er befürchtet, etwas anderes zu kaufen, als er ursprünglich dachte. Es wäre ja möglich, dass das Problem der Bot-Accounts etwas schwieriger zu lösen ist, als Musk selbstbewusst annahm – oder dass es umgekehrt so vernachlässigbar ist, dass die Plattform mit ein paar weniger Bots nicht plötzlich automatisch viel wertvoller würde.
Bröckelt das Finanzierungskonstrukt?
So könnte es auch sein, dass es nicht um Inhalt, sondern um Geld geht – obwohl Musk wiederholt betonte, das sei ihm egal. Denn das Kaufangebot war astronomisch, für ein Unternehmen, das zumindest in näherer Zukunft keine allzu rosigen Gewinnaussichten hat.
Nachdem es beim ursprünglichen Angebot und dem Ja der Twitter-Geschäftsleitung sehr schnell gegangen war, haben sich nun aber vielleicht die Spezialisten hingesetzt und gründlich gerechnet – und dabei kalte Füsse bekommen. Denn Musk konnte die 44 Milliarden Dollar ja nicht in bar aus dem eigenen Sack bezahlen, sondern musste Investoren an Bord holen, Tesla-Aktien verkaufen und bei Banken Kredite aufnehmen, ebenfalls mit diesen Aktien als Sicherheit.
Weil die jetzt aber absackten, könnte das komplexe Finanzierungskonstrukt bröckeln. Und schlimmere Verluste erzeugen als die eine Milliarde, die Elon Musk bei einem definitiven Rückzug vom Deal als Strafe an Twitter bezahlen müsste.
Alles bleibt unklar
Doch es ist auch nach wie vor möglich, dass Musk den Kauf durchzieht. Vielleicht will er den Aktienkurs mit seinem Tweet noch etwas drücken – etwas, das er wiederholt getan hat und dafür höchstens sanft bestraft wurde. Die Twitter-Aktie wird aktuell mit rund 45 Dollar deutlich unter Musks Angebot von 54 Dollar gehandelt. Würde sie noch weiter sinken, könnte er auf die Idee kommen, ein neues Angebot für weniger Geld zu machen – oder er will die Aktionäre unter Druck setzen, bald an ihn zu verkaufen.
Und schliesslich bleibt auch noch die Möglichkeit, dass Musk in Wahrheit Twitter gar nie kaufen wollte, dass alles nur ein Bluff oder ein Spiel war, das ihm nun keinen Spass mehr macht. Oder dass es ihm vielleicht sogar gelungen ist, von dem ganzen Chaos irgendwie zu profitieren.
So bleibt völlig unklar, wie es mit dieser Geschichte weitergeht. Die Geschäftsleitung und die Angestellten von Twitter, einige Investoren oder diejenigen, die in den letzten Wochen aufgeregt über Redefreiheit im Internet diskutiert haben, könnten sich allerdings schon für dumm verkauft vorkommen.