Im Herbst 2008 wurde klar, dass sich die gösste Schweizer Bank mit faulen Immobilienkrediten in den USA kolossal verspekuliert hatte. Um mitten in der Finanzkrise die Schweizer Wirtschaft vor schwerem Schaden zu bewahren, griffen Bund und Nationalbank helfend ein. Hätte die UBS auch ohne diese Hilfe überlebt? Antworten vom damaligen Krisenmanager Oswald Grübel an einer Veranstaltung zum 10-Jahre-Jubiläum der UBS-Rettung bei der KOF ETH in Zürich.
SRF News: Herr Grübel, Sie standen an der Spitze beider Schweizer Grossbanken in schwierigen Zeiten. Verstehen Sie sich als Krisenmanager, als Sanierer?
Oswald Grübel: Das bin ich zwar oft genannt worden, aber ich verstehe mich nicht als das. Aber ich glaube, dass man in Zeiten der Not erkannt hat, dass ich unter Umständen doch etwas mehr kann und hat mich deshalb berufen.
Wer hatte Sie vor zehn Jahren kontaktiert?
Ich wurde damals von einem Headhunter kontaktiert und habe zuerst abgelehnt. Mit der Antwort, dass es in der UBS mit 80'000 Angestellten genug Leute gibt, die den Job machen können.
Warum haben Sie doch angenommen?
Das war erst nach einem halben Jahr, weil man nicht lockergelassen hat. Es gab dabei noch die Bedingung, dass zuerst das Problem wegen Vergehen im Private Banking in Amerika einigermassen gelöst werden sollte. Das war im Februar 2009 der Fall, worauf ich den Job akzeptiert habe.
Sie sagten einst öffentlich, es sei nicht zwingend nötig gewesen, dass sich der Bund an der UBS beteiligt, um sie zu retten. Wie meinen Sie das?
Die Aktienbeteiligung war meiner Ansicht nach keine absolute Notwendigkeit, weil die UBS nicht pleite war. Sie hatte zwar ein sehr tiefes Kapital zu diesem Zeitpunkt, aber die behördlichen Mindestanforderungen waren immer noch erfüllt. Wenn man aber das ganze Umfeld betrachtet, so herrschte grosse Unsicherheit. Angefangen beim Management und Verwaltungsrat. Dazu kamen die hohen Verluste. Mit der Lehmann-Pleite ging zudem ein grosser Vertrauensverlust bei allen Banken einher. Das führte dazu, dass viele andere Banken bei ihrer Zentralbank Liquidität beantragten, aber dafür sind die Zentralbanken da.
Hätte die UBS ohne Staatshilfe überlebt?
Die Leute verstehen unter der Liquiditätshilfe der Zentralbank auch Staatshilfe. Aber wenn man einmal nur die Aktienbeteiligung berücksichtigt, die der Bund eingegangen ist, würde ich sagen, mit dem richtigen CEO hätte die Bank auf jeden Fall überlebt. Bester Beweis dafür ist, dass wir die Beteiligung dem Staat sehr schnell wieder abgenommen und platziert haben.
Aber Sie waren als UBS-Chef froh, dass die Nationalbank der UBS milliardenschwere Risiken aus Ramschpapieren in den USA abgenommen hat?
Die Zentralbank hat sich für die Liquiditätshilfe, für die meiner Ansicht nach jede Zentralbank da ist, Papiere zu absolut sehr tiefen Preisen geben lassen und damit glücklicherweise sechs Milliarden verdient.
Nochmals für die Geschichtsbücher: Musste die UBS mit Staatshilfe gerettet werden oder war es eine willkommene Hilfe, die aber nicht zwingend nötig war?
Im damals herrschenden Umfeld und angesichts der Vorkommnisse im Management musste es höchstwahrscheinlich so geschehen.
Ist die Bank heute krisenfester, eine bessere Bank?
Seit 2008/2009 sind die Banken viel stärker reguliert. Sie müssen viel mehr Kapital haben und haben viel weniger Risiko. Deshalb sind alle Banken heute viel sicherer, verdienen allerdings auch viel weniger Geld.
Macht es Sinn, dass die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft ihren Grossbanken gut auf die Finger schaut? Oder ist der Bund zu streng?
Nein, ich teile diese Auffassung. Es braucht einen starken Regulator, der allerdings auch mit den geschäftsführenden Banken laufend reden muss, damit die richtigen Risiken beschränkt werden. Gewisse Risiken wird es im Geschäft immer geben, denn ohne Risiken kann man kein Geld verdienen. Es gibt kein risikofreies Geschäft, an dem Sie Geld verdienen können.
Das Gespräch führte Jan Baumann.