Es kann jeden treffen. Nicht nur abtretende Kadermitglieder im Top-Management werden beschattet, wie es jüngst bei der Credit Suisse der Fall war. Auch Büroangestellte, Kassierer oder Verkäufer können überwacht werden. Durch die Digitalisierung auf immer kreativere Art. Doch der Grat zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem ist schmal.
Mitarbeiter müssen informiert werden
So darf der Arbeitgeber etwa nicht grundlos den Mailverlauf seines Mitarbeiters lesen, sein Telefonat abhören oder willkürlich eine Kamera an seinem Platz installieren. Generell gilt, dass er ihn zuerst darüber informieren muss. Zudem darf er nur geschäftliche Nachrichten und Gespräche mitverfolgen, keine persönlichen. «Das Problem ist, dass sich private Mails immer unter die geschäftlichen mischen können», warnt Thomas Geiser, Professor für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen.
Das Arbeitsgesetz regelt klar, dass eine systematische Überwachung am Arbeitsplatz nicht zulässig ist. Dennoch: Im Einzelfall sieht es häufig anders aus. Ursula Uttinger, Dozentin für Datenschutz, verfolgt Gerichtsurteile rund um den Datenschutz genau: «Bei manchen Entscheiden kann ich nicht nachvollziehen, wieso die Überwachung in einem konkreten Fall erlaubt ist und in einem anderen nicht.» Häufig hänge das Urteil vom Richter ab.
Immer mehr Möglichkeiten
Wer arbeitet, hinterlässt Spuren. Mit der zunehmenden Digitalisierung werden diese immer vielfältiger und breiter – und somit auch die Möglichkeiten zur Überwachung. «Früher gab es soziale Kontrolle. Man sah, ob jemand im Büro ist oder nicht. Heute kann man auch von Zuhause arbeiten, was zu Misstrauen führt», führt Uttinger weiter aus. So machen Firmen Kontrollanrufe oder überprüfen den Online-Status im Mailserver. Besitzt der Arbeitnehmer zudem ein Firmenhandy, kann der Arbeitgeber theoretisch jederzeit mittels GPS-Daten dessen Standort überprüfen.
Technisch ist einiges möglich, häufig läuft die Überwachung deshalb aus dem Ruder. «Ist man nicht einverstanden mit dem, was der Mitarbeiter macht, ist man sehr dazu geneigt, gespeicherte Daten hervorzuholen», so Uttiger. Ein Tatverdacht genügt jedoch noch nicht. Trotzdem werde vieles gemacht, das nicht erlaubt ist.
«Take it or leave it»
Gegen solche Datenschutz-Verstösse kann sich der Angestellte wehren. «Er kann die Arbeit verweigern oder das Arbeitsamt einschalten, schliesslich geht es um die Einhaltung des Arbeitsgesetzes», sagt Geiser. Uttinger stimmt zu, warnt jedoch davor, am Schluss ohne Job dazustehen: «Es gibt ein klares Machtgefälle.» Das bedeute häufig «take it or leave it». Und zwar auch dann, wenn die Kündigung missbräuchlich wäre. Das Arbeitsverhältnis wäre trotzdem beendet und hätte zur Folge, dass der Arbeitgeber eine Strafzahlung von maximal sechs Monatslöhnen leisten müsste, erklärt Geiser.
Die Digitalisierung und die damit verbundenen Kontrollen bieten aber auch Chancen. «Arbeitet jemand alleine in einem Kühlhaus und schliesst sich ein, kann eine gewisse Überwachung hilfreich sein», sagt Uttinger. Zudem können ungewöhnliche Arbeitszeiten registriert werden und Aufschluss über den Gesundheitszustand liefern. Die Frage bleibe jedoch, ob die technischen Möglichkeiten positiv oder negativ genutzt werden.