Der Werbefilm der Micarna zeigt einen fröhlichen Bauern. Dieser zückt sein Handy, tippt auf die Tierhandels-App und liefert seine Tiere direkt dem Fleischverarbeiter der Migros.
Weniger fröhlich ist diese Entwicklung für den Viehhandel. Dieser sieht sein traditionelles Geschäftsmodell in Gefahr. Heute verkaufen die Bauern ihre Tiere den Viehhändlern, und diese beliefern Abnehmer wie Micarna-Migros oder Bell-Coop. Anfang März soll alles anders werden: dann lanciert Micarna ihre App, mit der die Bauern Rinder und Schweine direkt dem Fleischverarbeiter liefern, unter Umgehung des Zwischenhandels.
Win-Win?
Micarna-Chef Albert Baumann spricht von einer Win-Win-Situation für Bauern und sein Unternehmen: «Der Bauer hat weniger administrativen Aufwand, und für uns bedeutet es, dass wir nicht mehr so viel mit der Post verschicken müssen, und dass wir einen direkten Kontakt zu unserem Lieferanten haben.»
Die Micarna verarbeitet jedes vierte Schwein und jedes fünfte Rind. Sie ist heute ein bedeutender Kunde des Viehhandels.
Die Angst der Viehhändler
Mit der Umstellung auf die App und den Direktlieferungen fürchten die Viehhhändler um ihre Bruttomarge von rund acht Prozent, die sie mit dem Zwischenhandel verdienen.
«Wir müssen Aus- und Weiterbildungen machen, und wir zahlen Abgaben in die Tierseuchenprävention«, rechtfertigt Peter Bosshard, Geschäftsführer des Schweizerischen Viehhändler-Verbandes das Geschäft. Und weiter: »Wir müssen die Rückverfolgbarkeit garantieren und zahlen Patentgebühren. Dies alles muss Micarna auch erfüllen, und dann zeigt sich die Kostenwahrheit. Es ist nicht die Marge allein, es geht um Dienstleistungen.»
Alle wollen eine App
Dass der Viehhandel reagieren muss, zeigt sich am Beispiel der Anicom. Das Unternehmen, im Besitz des Bauernkonzerns Fenaco, ist führend im Viehhandel. Anicom hat vor wenigen Monaten eine eigene App lanciert. 1200 Bauern sollen sie bereits anwenden. Der Tiervermarkter mit eigener Lastwagenflotte, macht eine halbe Milliarde Franken Umsatz jährlich.
Stefan Schwab, Chef der Anicom weiss, dass der Wettbewerb härter wird und sich der Tierhandel revolutioniert: «Es wird alles viel schneller und elektronischer ablaufen. Das wird dazu führen, dass wir den administrativen Aufwand reduzieren können, effizienter und damit kostengünstiger arbeiten».
Auch Peter Bosshard, vom Schweizerischen Viehhändler-Verband, will eine neue App: »Bis im März soll ein Konzept erarbeitet werden, wie wir eine App und die Digitalisierung als Hilfsmittel für den Viehhandel einsetzen können.»
Die Macht der Daten
Die Micarna-App weckt weitere Befürchtungen. Mit den Daten der Bauern erhält die Migros-Tochter Einblick in den einzelnen Bauernhof. Damit könnte eine Situation entstehen, wie beim Geflügel. Dort kontrolliert die Migros die ganze Produktionskette. Sie setzt Qualitätsstandards und lässt die Bauern nach ihren Vorgaben arbeiten.
Peter Bosshard sagt: «Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Migros dies auch bei Schweinen und Rindern will, um den Handel auszuschalten».