- Die Produktionskosten für Hochleistungskühe sind so hoch, dass viele Bauern kaum noch an der Milch verdienen.
- Die neue Schweizer Kuh soll genügsamer werden: weniger Kraftfutter, weniger Antibiotika, weniger Tierarzbesuche – und weniger Milch.
- Die Rechnung geht auf. Die Einsparungen kompensieren die leicht tieferen Milcheinnahmen bei Weitem. Die Bauern verdienen deutlich mehr.
Klein, dick, rund und gesund soll sie sein, die neue Schweizer Kuh. Das klingt nicht revolutionär – und doch genau das ist es. Der Agronom Martin Huber vom landwirtschaftlichen Beratungszentrum Arenenberg und der Genetiker Hannes Jörg von der Berner Hochschule für Agrarwirtschaft haben zusammen mit einer Gruppe von Bauern das Zuchtziel für die neue Kuh definiert.
Sie ist ziemlich exakt das Gegenteil von dem, was grosse Schweizer Zuchtverbände in den letzten Jahrzehnten gesucht haben. Die Kühe sollten gross sein und möglichst viel Milch bringen. Profiteure sind Versorger wie Futterindustrie, Landwirtschaftsausrüster, Pharma-Industrie und Besamungsunternehmen. Sie verdienen an einer auf Hochleistung getrimmten Milchwirtschaft. Doch auf Hochleistung gezüchteten Kühe sind teuer in der Versorgung und tendenziell krankheitsanfällig.
Die Pioniere der Interessensgemeinschaft «Neue Schweizer Kuh» hingegen wollen eine Milchkuh, die gesund und effizient ist. Da kleine Kühe mehr Milch pro Futtereinheit produzieren und runde Kühe tendenziell gesünder sind, sieht das Zuchtziel entsprechend aus.
Weniger Arbeit, mehr Geld
Der Thurgauer Landwirt Andreas Elliker ist mit seinem Betrieb bereits auf dem Weg dorthin. Er will keine Kühe, die ständig tierärztlicher Hilfe bedürfen. In seiner Fachsprache formuliert er es so: «Eine Kuh will ich drei Mal im Jahr richtig wahrnehmen. Das ist dann, wenn ein Kalb auf die Welt kommt, dann, wenn sie wieder belegt werden soll und wenn sie wieder trocken geht und sich für das nächste Kalb vorbereitet.»
Nicht Faulheit, Vernunft ist das Motiv. Ein Bauer muss sich seine Zeit gut einteilen, will er auf einen anständigen Stundenlohn kommen. Elliker gehört zu denjenigen, die über 28 Franken verdienen und hat damit ein doppelt so hohes Einkommen wie der Durchschnitt der Schweizer Bauern.
Geschafft hat das der Biobauer, indem er seinen Betrieb auf Raufütterung, also Gras und Heu, umgestellt hat. Die radikale Einschränkung des Kraftfutters und die Zucht der Herde auf kleinere Tiere zahlen sich aus. «Die Fremdkosten sind gesunken, die Tierarztkosten sind halbiert, die Kraftfutterkosten sind halbiert. Und das sind wesentliche Punkte, die den Verdienst auf den Liter Milch, den man produziert, verbessern.»
Mehr Milch ist nicht gleich mehr Einkommen
Andreas Elliker ist kein Einzelfall. Bauern, die ähnlich wie er auf Vollweidewirtschaft setzen, produzieren ihre Milch um ein Drittel billiger als konventionelle Betriebe. Das belegt eine Studie des landwirtschaftlichen Forschungsinstituts Agroscope und des Berufsbildungszentrums Natur und Ernährung Hohenrain.
Ein Viertel der 23'500 Milchproduzenten, so die Schätzung des Mit-Autors Christian Gazzarin, wären geeignet, auf das effizientere Weidesystem umzustellen, doch nur 100 tun es heute. Viele Bauern meinen, mehr Milch bedeute mehr Einkommen. Der Irrtum hat eine lange Tradition. Die Milchwirtschaft ist seit Jahrzehnten auf Maximierung ausgelegt.
Halbe Schweine aus den USA
Seit den sechziger Jahren haben die Schweizer Zuchtverbände Hochleistungsrassen gefördert. Sie haben Stiersamen aus den USA eingeführt und die Schweizer Milchproduktion erfolgreich von 3000 kg 1960 auf 7000 kg heute gesteigert. Das ist der Schnitt aller Kühe. Hochleistungskühe produzieren 12’000 kg und mehr.
Doch die Milchmaximierung hat Nebenwirkungen, wie Christian Gazzarin erklärt: «Man muss wissen, dass die amerikanische Genetik vorwiegend aus der Stallfütterung stammt, mit einem Kraftfutteranteil von 50 Prozent. Das sind halbe Schweine, die da gefüttert werden und von daher ist es daneben, wenn man solche Genetik in die Schweiz einführt.»
Bis heute prämieren die Zuchtverbände in Schauen Hochleistungstiere, die immer noch mehr Milch bringen. «Es ist eine menschliche Sache, dass man in den Wettbewerb geht», meint Gazzarin, aber die Bauern hätten dabei die Kosten aus den Augen verloren.
Es braucht eine Trendwende – die Zahlen sprechen für sich: Mit der Förderung der Weidewirtschaft und der Zucht einer neuen, genügsamen Schweizer Kuh haben die Bauern wieder eine reelle Chance, gutes Geld mit Milch zu verdienen.